Eine der größten astronomischen Entdeckungen der zwanziger Jahren ist die Expansion des Universum. Etwa vor siebzig Jahren hat Edwin Hubble die Entfernungen und die Rotverschiebungen von einigen nahen Galaxien gemessen, und gefunden, daß die Fluchtgeschwindigkeit einer Galaxie proportional zu ihrer Entfernung ist. Je größer die Entfernung, desto größer die Fluchtgeschwindigkeit. Dies ist das sogenannte Hubble-Gesetz. Diese Beziehung ist leicht zu erklären, wenn man die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie für ein gleichförmig (homogen) mit Materie angefülltes Universum löst.
Wir wissen aber, daß die Verteilung der Galaxien nicht homogen ist, es gibt Haufen von Galaxien und sogenannte ``Voids''. Regionen mit hoherer Massendichte ``ziehen'' die Galaxien in ihre Richtungen, leere Regionen ``drücken'' die Galaxien weg. Deswegen erwarten wir Differenzen zwischen den gemessenen Fluchtgeschwindigkeiten und denen, die das Hubble-Gesetz vorhersagt. Diese Differenzen, die ``Pekuliarbewegungen'' genannt werden, können wir in den letzen Jahren tatsächlich messen. Dazu benötigt man gute ``Entfernungsindikatoren''.
Wie können wir Entfernungen von Galaxien messen? Wenn wir wissen,
wie groß eine Galaxie ist, können wir sofort sagen, wie weit weg sie
ist. Wir müssen nur die tatsächliche Größe mit der
am Himmel
gemessenen scheinbaren vergleichen. Je größer die Entfernung,
desto kleiner erscheinen die Galaxien. Um diese Methode anwenden zu
können, muß man zunächst die wahre Große der Galaxie bestimmen.
Wir haben elliptischen Galaxien untersucht
und folgende Beziehung
gefunden: Je grösser die Ellipse, desto grösser sind die
Geschwindigkeiten ihre Sterne. Die Geschwindigkeiten der Sterne
können wir aber mit einem großen Teleskop bestimmen, indem wir
ein Spektrum der Galaxie aufnehmen.
In einem grossem internationalen Projekt messen wir zur Zeit die Entfernungen und die Rotverschiebungen von ca. 700 Galaxien in zwei Superhaufen außerhalb unseres lokales Superhaufen, mit Entfernungen zwischen 100 und 300 Mpc. Wenn wir neue ``große Attraktoren'' finden, hätten die kosmologische Modellen der großräumigen Struktur erhebliche Probleme! Diese sagen vorher, daß Massenkonzentrationen so hoch wie der große Attraktor relativ selten sind und nur mit einer 5% Wahrscheinlichkeit im Universum zu beobachten sein sollten. Ein zweites großer Attraktor wäre eine riesige Überraschung.
Ein weiteres Beispiel für die
'anziehende Wirkung' von Galaxienhaufen liefert der uns relativ nahe
Virgo-Galaxienhaufen. Unsere Milchstraße und die Andromeda-Galaxie
werden vom Virgohaufen so stark angezogen, daß unsere
ursprüngliche Fluchtgeschwindigkeit relativ zum Virgohaufen (ca.
1400km/s) auf ca. 1100km/s abgebremst wurde. Dies wäre nicht der
Fall, wenn der Virgo-Galaxienhaufen nur aus der uns bekannten Materie
bestünde. Auch in unserer unmittelbaren Umgebung können wir einen
ähnlichen Effekt beobachten. Wie oben schon erwähnt, entfernt sich
die Andromedagalaxie nicht von der Milchstraße wie erwartet,
sondern nähert sich uns mit 120km/s an. Das ursprüngliche
Wegdriften der Andromedagalaxie mit 50km/s hätte nicht umgekehrt
werden können, wenn nicht auch unsere Milchstraße und die
Andromedagalaxie große Mengen an dunkler Materie enthalten
würden. Abschätzungen zeigen, daß damit auch unsere lokale
Gruppe von Galaxien ca. zehnmal mehr dunkle Materie enthält, als es
sichtbare Materie in ihr gibt.