Eine der größten astronomischen Entdeckungen der zwanziger Jahren ist die Expansion des Universum. Etwa vor siebzig Jahren hat Edwin Hubble die Entfernungen und die Rotverschiebungen von einigen nahen Galaxien gemessen, und gefunden, daß die Fluchtgeschwindigkeit einer Galaxie proportional zu ihrer Entfernung ist. Je größer die Entfernung, desto größer die Fluchtgeschwindigkeit. Dies ist das sogenannte Hubble-Gesetz. Diese Beziehung ist leicht zu erklären, wenn man die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie für ein gleichförmig (homogen) mit Materie angefülltes Universum löst.

Wir wissen aber, daß die Verteilung der Galaxien nicht homogen ist, es gibt Haufen von Galaxien und sogenannte ``Voids''. Regionen mit hoherer Massendichte ``ziehen'' die Galaxien in ihre Richtungen, leere Regionen ``drücken'' die Galaxien weg. Deswegen erwarten wir Differenzen zwischen den gemessenen Fluchtgeschwindigkeiten und denen, die das Hubble-Gesetz vorhersagt. Diese Differenzen, die ``Pekuliarbewegungen'' genannt werden, können wir in den letzen Jahren tatsächlich messen. Dazu benötigt man gute ``Entfernungsindikatoren''.

Wie können wir Entfernungen von Galaxien messen? Wenn wir wissen, wie groß eine Galaxie ist, können wir sofort sagen, wie weit weg sie ist. Wir müssen nur die tatsächliche Größe mit der am Himmel Abell 2593 gemessenen scheinbaren vergleichen. Je größer die Entfernung, desto kleiner erscheinen die Galaxien. Um diese Methode anwenden zu können, muß man zunächst die wahre Große der Galaxie bestimmen. Wir haben elliptischen Galaxien untersucht und folgende Beziehung gefunden: Je grösser die Ellipse, desto grösser sind die Geschwindigkeiten ihre Sterne. Die Geschwindigkeiten der Sterne können wir aber mit einem großen Teleskop bestimmen, indem wir ein Spektrum der Galaxie aufnehmen.

Die Galaxien, die uns näher als 100 Mpc sind, haben Pekuliargeschwindigkeiten, die in die Richtung der grossen Ansammlung von Galaxienhaufen im Sternbild Centaurus zeigen. In dieser Region, etwa 80 Mpc weg von uns, muß es eine riesige Masse geben, die die Galaxien anzieht. Diese Region ist deshalb als ``Großer Attraktor'' gekannt geworden, und hat eine geschätzte Masse von mehreren Millionen von Milliarden von Sonnen! Nur ein Bruchteil dieser Masse strahlt aber Licht ab. Der Rest ist dunkel.

In einem grossem internationalen Projekt messen wir zur Zeit die Entfernungen und die Rotverschiebungen von ca. 700 Galaxien in zwei Superhaufen außerhalb unseres lokales Superhaufen, mit Entfernungen zwischen 100 und 300 Mpc. Wenn wir neue ``große Attraktoren'' finden, hätten die kosmologische Modellen der großräumigen Struktur erhebliche Probleme! Diese sagen vorher, daß Massenkonzentrationen so hoch wie der große Attraktor relativ selten sind und nur mit einer 5% Wahrscheinlichkeit im Universum zu beobachten sein sollten. Ein zweites großer Attraktor wäre eine riesige Überraschung.

Ein weiteres Beispiel für die 'anziehende Wirkung' von Galaxienhaufen liefert der uns relativ nahe Virgo-Galaxienhaufen. Unsere Milchstraße und die Andromeda-Galaxie werden vom Virgohaufen so stark angezogen, daß unsere ursprüngliche Fluchtgeschwindigkeit relativ zum Virgohaufen (ca. 1400km/s) auf ca. 1100km/s abgebremst wurde. Dies wäre nicht der Fall, wenn der Virgo-Galaxienhaufen nur aus der uns bekannten Materie bestünde. Auch in unserer unmittelbaren Umgebung können wir einen ähnlichen Effekt beobachten. Wie oben schon erwähnt, entfernt sich die Andromedagalaxie nicht von der Milchstraße wie erwartet, sondern nähert sich uns mit 120km/s an. Das ursprüngliche Wegdriften der Andromedagalaxie mit 50km/s hätte nicht umgekehrt werden können, wenn nicht auch unsere Milchstraße und die Andromedagalaxie große Mengen an dunkler Materie enthalten würden. Abschätzungen zeigen, daß damit auch unsere lokale Gruppe von Galaxien ca. zehnmal mehr dunkle Materie enthält, als es sichtbare Materie in ihr gibt.