Das Lernziel dieses Versuches soll Ihnen vermitteln, wie man elliptische, S0- und Spiralgalaxien aus photometrischen Daten erkennen und ihre Leuchtkraft messen kann. Sie werden daher die CCD-Bilder (s. Abschnitt 2) von 22 Galaxien des Galaxienhaufens A2593 analysieren, welche mit dem R- und B-Filter (s. Abschnitt 2) am 0.9m-Teleskop auf dem Cerro Tololo, Chile, aufgenommen wurden. Sie sollen diese Galaxien, unter Berücksichtigung ihrer morphologischen Erscheinungsform und ihres Leuchtkraftprofils, klassifizieren und ihren halben Leuchtkraftradius, ihre absolute Helligkeit und ihre Farbe messen. Als Arbeitsmittel dienen Ihnen hierzu ein X-window-Terminal und die beiden Softwarepackete MIDAS und SUPERMONGO.
Abell 2593 (1950 Koordinaten ,
)
ist ein reicher Galaxienhaufen des Superhaufens Pisces-Cetus, dessen
Galaxien zwischen 160 und 300 Mpc von uns entfernt sind. Mit einer
Rotverschiebung von 0.04 liegt A2593 240 Mpc
von uns entfernt. Der Haufen wurde
im Rahmen eines
Langzeit-Wissenschaftsprojektes beobachtet, dessen Inhalt die
Entfernungsbestimmung von 80 Galaxienhaufen ist, welche in den beiden `nahen'
Superhaufen Pisces-Cetus und Herculis-Corona Borealis liegen.
Eine zusammenfassende Beschreibung der morphologischen und physikalischen Merkmale, welche zum Klassifikationsschema von Galaxien führen, finden Sie im Vorlesungsskript über `Galaxien und großräumige Strukturen' von R. Bender. Als allgemeines Nachschlagewerk dient `Extragalactic Astronomy' von Mihalas und Binney; weitere und tiefergehende Informationen über die Dynamik dieser Objekte finden sie in `Galactic Dynamics' von Binney und Tremaine (1987). Das Folgende ist eine Kurzbeschreibung des sogenannten `Hubble-Stimmgabel-Diagramm' [Hubble tuning-fork diagram] (s. Titelseite).
Elliptische Galaxien (s. Abb. 1) sind nahezu gestaltlose,
3-dimensionale stellare Systeme mit einer sehr kleinen Rotation und einer
durch anisotropische Geschwindikkeitsdispersion hervorgerufenen Abplattung.
Das bedeutet, daß die kinetische Energie oder das mittlere
Geschwindigkeitsquadrat der Sterne einer elliptischen Galaxie in verschiedene
Richtungen verschieden groß sein kann; im Gegensatz zum bekannten Fall des
thermischen Gases, wo die Geschwindigkeitsdispersion der Gasmoleküle eine
Gauss-Funktion des Geschwindigkeitsquadrates ist. In den Galaxien dominiert
eine alte, entwickelte Sternpopulation, in der alle massiven, großen und
blauen Hauptreihensterne ausgestorben sind, wodurch die Galaxien rot
erscheinen. Ihre zentrale Flächenhelligkeit ist sehr hoch. Außerdem
besitzen sie sehr wenig kaltes Gas, aber außergewöhnlich heißes,
Röntgenstrahlung emitierendes Gas. Die Galaxien erscheinen am Himmel als
Ellipsen mit einer Abplattungsskala von 0 (rund) bis 7 (sehr abgeplattet),
berechnet mit (a und b sind die große und kleine
Halbachsen der Galaxie).
Im Gegensatz dazu sind Spiralgalaxien (s. Abb. 2) 2-dimesionale,
rotationsgestüzte Scheiben mit einem großen Anteil an kaltem (HI) und
warmen Gas und einer fortwährenden Sternentstehung. Ihre Sternpopulation
wird konstant durch neu entstandene massive, große und blaue junge
Hauptreihensterne erneuert, sodaß die Spiralgalaxien blau erscheinen.
Spiralen haben, verglichen mit den Ellipsen, eine geringe zentrale
Flächenhelligkeit. In ihrem zentralen Bereich findet sich ein Kern
[Bulge] oder eine spheroidische Komponente, ähnlich einer elliptischen
Galaxie. Wie der Name schon sagt, besitzen Spiralgalaxien oft große Spiralarme
und/oder Balkenstrukturen. Spiralgalaxien erscheinen in der Aufsicht
[face-on] (Inklinationswinkel i=0) als Kreise und werden bei wachsendem
Inklinationswinkel immer flachere Ellipsen, bis schließlich bei i=90 nur
noch die Stirnseite [edge-on] zu sehen ist, gemäß der Formel
.
Zwischen den beiden Gruppen finden sich S0-Galaxien (s. Abb. 3), welche einen großen zentralen Bulge ähnlich einer elliptischen Galaxie, eine gaslose Scheibe [disk] und deshalb keine fortlaufende Sternentstehung besitzen.
Die Galaxien, die Sie klassifizieren sollen, sind viel weiter entfernt (um mehr als einen Faktor 10!) als diejenigen in den Abildungen 1-3. Deshalb sollten Sie nicht erstaunt sein, daß Sie nicht alle detailierten Strukturen sehen werden, wie sie in diesen Abbildungen sichtbar sind. Eines der Ziele dieses Versuches ist es zu zeigen, daß eine Galaxienklassifikation auch für entfernte Haufen möglich ist.
Die folgenden Seiten sind wie folgt aufgebaut. Abschnitt 2 gibt eine kurze Einleitung in den Gebrauch von CCD-Kameras bei galaktischer Photometrie (2.1) und diskutiert das Problem der Himmelssubstraktion und der absoluten Kalibration (2.2). Dann werden die grundsätzlichen Eigenschaften photometrischer Profile von elliptischen und Spiralgalaxien (2.3) beschrieben und wie man die absolute Helligkeit und den halben Leuchtkraftradius der Galaxien erhält (2.4). Abschnitt 3 beschreibt, wie Sie den Versuch durchführen sollen. Sie sollen alle Fragen beantworten, die mit einem A, gefolgt von einer Nummer, gekennzeichnet sind. Die anderen Fragen, mit B und einer Nummer gekennzeichnet, geben ihnen ein tieferes Verständnis der Materie. Beantworten sie diese Fragen, falls Sie genügend Zeit und Lust haben. Im Anhang sind alle MIDAS und SUPERMONGO Kommandos aufgelistet, die sie benutzen sollen.