Sterne und Weltraum SPECIAL Nr. 2: Schöpfung ohne Ende - Die Geburt des Kosmos - November 1997

Galaxien in der Tiefe der Zeit - Von Ralf Bender, Ulrich Hopp und Roberto P. Saglia

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   Die gewaltige Schwerkraft des Galaxienhaufens MS 1512+36 wirkt als Gravitationslinse (Aufnahme des Hubble-Teleskops). Daher erscheint die dahinterliegende Galaxie cB 58 (Pfeil, Entfernung mehr als 10 Milliarden Lichtjahre) 40fach verstärkt.

zusammengesetzte Materie macht wahrscheinlich nur zehn Prozent der Gesamtmasse des Weltalls aus! Der Rest der kosmischen Materie ist unsichtbar und verrät sich nur durch seine Schwerkraft.

Diese sogenannte Dunkle Materie (Beitrag ab Seite 22) bietet nun einen plausiblen Ausweg aus dem Dilemma der Galaxiengeburt. Es gibt nämlich Hinweise, daß die Dichtefluktuationen der Dunklen Materie hunderttausend Jahre nach dem Urknall wesentlich größer waren als diejenigen der Wasserstoff-Helium-Suppe. So könnten erstere als »Schwerkraftfalle&laqno; gewirkt haben. Darin konnten sich die Atome viel schneller ansammeln, als in den Dichtefluktuationen eines Universums ohne Dunkle Materie. Aus dem konzentrierten Wasserstoff-Helium-Gas entstanden dann die Galaxien, die im Rahmen dieses Modells auf natürliche Weise in Halos aus Dunkler Materie eingebettet sein sollten (Bild Seite 24). Wie theoretische Rechnungen nahelegen, waren die ersten gebildeten Objekte wahrscheinlich relativ kompakte Scheiben. Diese durchliefen dann, je nach Umgebung, verschiedene Entwicklungsprozesse.

In Umgebungen niedriger Galaxiendichte, wie zum Beispiel in der Region, aus der die Milchstraße und ihre Nachbarn hervorgegangen sind, gewannen die ursprünglichen

Galaxienkeime in einem langsamen Prozeß an Größe. Sie verwandelten sich nach und nach durch das Aufsammeln kleinerer Materieklumpen in Spiralgalaxien. Wahrscheinlich sind es zum Teil diese Klumpen, die wir im Hubble Deep Field und anderswo als UV-Outdroppers beobachten können.

In dichten Umgebungen, wie den Vorgängern heutiger Galaxienhaufen, war ein langsames Wachsen der Galaxien dagegen nicht möglich. Es kam häufig zu Wechselwirkungen und Verschmelzungen zwischen den Galaxien, so daß die Massen der Galaxien schneller wuchsen. Dabei wurden die relativ fragilen Scheiben zerstört. Das Endprodukt dieses zweiten Weges der Galaxienentwicklung sind wahrscheinlich die elliptischen und die S0-Galaxien, die, wie in diesem Modell zu erwarten ist, hauptsächlich in dichten Galaxienumgebungen zu finden sind und nur wenige oder gar keine Sterne in Scheiben besitzen.

Es ist höchst bemerkenswert, daß all dies nur ablaufen konnte, daß schließlich auch wir Menschen nur deshalb entstehen konnten, weil es ausreichend starke Dichtefluktuationen der Dunklen Materie gab ­ eines Stoffes, dessen elementare Bausteine uns nach wie vor unbekannt sind und von dessen Bedeutung vor zwanzig Jahren noch nicht einmal die Astronomen eine Ahnung hatten.


Danksagung: Ein Teil der hier dargestellten Forschungsprojekte wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 375 »Astroteilchenphysik« durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG unterstützt. Die Bearbeitung der hier gezeigten Bilder des Hubble-Weltraumteleskops ermöglichte die DARA. Wir danken allen Mitgliedern unserer Arbeitsgruppe, die bei der Bebilderung dieses Beitrags halfen.

 


Prof. Ralf Bender leitet an der Universitäts-Sternwarte München eine der international erfolgreichsten astronomischen Arbeitsgruppen in Deutschland, der auch Dr. Ulrich Hopp und Dr. Roberto P. Saglia (im Bild von rechts nach links) angehören. Die Forscher enträtseln die Evolution der Galaxien mit den Satelliten Hubble und ROSAT sowie diversen Großteleskopen auf dem Calar Alto, in Chile und den USA.




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Copyright © 1998 für diese Web-Präsentation: Dipl.-Phys. Axel M. Quetz (quetz@mpia-hd.mpg.de, http://www.mpia-hd.mpg.de)