Das heutige Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität
München kann auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurückblicken.
Im Rahmen der bayerischen Landesvermessung, bei der es der Zusammenarbeit
mit einer Sternwarte bedurfte, kam es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur
Einrichtung zweier Vorläuferinstitutionen: 1803 - 1805 im Nordwest--Turm
des ehemaligen Jesuitenkollegs in der Neuhauserstraße im Zentrum
Münchens und 1805 - 1816 in Haidhausen/Ramersdorf (heute Ostbahnhofgelände).
Im Jahre 1816 erteilte dann König Max I. Joseph der Bayerischen Akademie
der Wissenschaften den Auftrag zum Bau einer neuen Sternwarte in der Nähe
des damaligen Dorfes Bogenhausen bei München. Am 11.8.1816 fand der
erste Spatenstich statt. Schon 1819 konnte die mit hervorragenden Instrumenten
aus den berühmten feinmechanisch--optischen Werkstätten von Utzschneider,
Reichenbach, Liebherr und Fraunhofer ausgestattete
Sternwarte
ihren Betrieb
aufnehmen.
Das Hauptarbeitsgebiet bildete zunächst
Astrometrie.
Etwas später kamen Meteorologie, Geophysik und
Instrumentenbau
hinzu.
Fraunhofer legte hier um 1820 zusammen mit Soldner, dem Gründungsdirektor,
den Grundstein zur
Stellarspektroskopie, einer der wichtigsten Beobachtungstechniken
der modernen Astrophysik. 1835 wurde das damals
beste Teleskop
der Welt,
ein Refraktor aus der ehemaligen Werkstätte Fraunhofers, in einem
separaten Gebäude auf dem Sternwartgelände aufgestellt.
Lamont, Direktor von 1835 bis 1879, führte die Sternwarte durch
seine theoretischen und praktischen Arbeiten auf dem Gebiet der Erforschung
des Erdmagnetismus zu Weltruhm. Nutzen aus den Messungen mit Meridianinstrumenten
zog auch die breitere Öffentlichkeit für fast 100 Jahre: Ab 1852
bestand eine telegraphische Verbindung zur zentralen Telegraphenstation
in München, die täglich ein
Zeitsignal erhielt und an alle bayerischen
Eisenbahn- und Telegraphenstationen weiterleitete. Später übernahm
der Bayerische Rundfunk die Aufgabe der Verbreitung des
Zeitsignals
der Sternwarte.
Seeliger, der bedeutendste deutsche Astronom seiner Zeit, leitete die
Geschicke der Sternwarte
von 1882 bis 1924 und führte sie mit seinen
Arbeiten zur Stellarstatistik, Fehlertheorie, Himmelsmechanik, Theorie
der Novae und Photometrie staubförmiger Massen auch auf
astronomischem Gebiet
zur Weltgeltung.
Nach der Eingemeindung Bogenhausens 1892 machte sich allmählich
der negative Einfluß der expandierenden Stadt auf die praktische
astronomische und geophysikalische Arbeit bemerkbar. So konnte aufgrund
ihrer ungünstigen Lage die Sternwarte in den folgenden Jahrzehnten
mit den modernen Entwicklungen der beobachtenden Astronomie nicht Schritt
halten und verlor an Bedeutung, ein Schicksal, das sie mit vielen anderen
Sternwarten teilte.
Im Jahre 1938 erfolgte die Angliederung der Sternwarte an die
Naturwissenschaftliche
Fakultät der Universität München. Während des Zweiten
Weltkrieges wurden die Gebäude durch
Luftangriffe
zum Teil erheblich zerstört.
Der Wiederaufbau war erst 1954 abgeschlossen. Das Jahr 1949 brachte
einschneidendeÄnderungen im Institutsgefüge: Alle geophysikalischen
Einrichtungen wurden von der Sternwarte abgezogen und dem an der Universität
neu gegründeten Institut für Geophysik unterstellt. Im gleichen
Jahre wurde das kurz vor dem Kriege im wesentlichen aus militärischen
Erwägungen heraus errichtete und 1941 in Betrieb gegangene
Sonnenobservatorium Wendelstein
(ca. 75 km südlich von München) von den amerikanischen
Behörden dem bayerischen Staat übergeben, der es der Sternwarte
angliederte. Das Observatorium war bis 1987, eingebettet in ein weltweites
Netz, vor allem zur Überwachung der Sonnenaktivität eingesetzt.
Mitte der 50er Jahre wurden Schritte eingeleitet, um den Anschluß
an den vor allem in den USA erreichten Standard astrophysikalischer Forschung
zu finden. Da seit einiger Zeit Bestrebungen auf europäischer Ebene
im Gang waren, modernstes Beobachtungsinstrumentarium zur gemeinsamen Nutzung
in hervorragender Lage zur Verfügung zu stellen, konnte man sich zunächst
darauf beschränken, moderne Arbeits- und Unterrichtmöglichkeiten
zu schaffen. Da die Sternwarte von der baulichen Konzeption her diesen
Anforderungen nicht gerecht werden konnte, wurde im Mai 1964 mit dem Abriß
des fast 150--jährigen Sternwartgebäudes begonnen und der Bau
eines neuen Institutsgebäudes an der historischen Stelle in Angriff
genommen. Am 10.10.1966 konnte der Einzug erfolgen und die Arbeit in dem
mit u.a. mehreren Elektroniklabors, einer Feinmechanikerwerkstatt und einer
(für damalige Verhältnisse) beeindruckenden Rechenanlage versehenen
Gebäude
aufgenommen werden.
Im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses stand nun die Astrophysik
(vor allem Theorie der Sternatmosphären und Veränderliche Sterne)
und, einer langen Tradition folgend, der Bau von Teleskopinstrumentierungen.
In der Zwischenzeit hat das Institut längst wieder eine herausragende
Position in der internationalen astronomischen Forschung erreicht. Derzeit
(1997) arbeiten ca. 70 Wissenschaftler, Ingeneure, Doktoranden (Astronomie)
und Diplomanden (Physik) auf den Gebieten
Instrumentenbau (Entwicklung
und Bau von Spektrographen, Photometern, CCD--Cameras etc.),
Stellarastronomie
(Physik der Sternatmosphären, Sternwinde, Sternentwicklung, Doppelsterne,
Kataklysmische
Veränderliche),
Atomphysik (quantenmechanische Berechnung
atomphysikalischer Daten),
Plasmaphysik (kosmische
Magnefelder) und
Extragalaktische
Astronomie (Galaxien, Dunkle Materie etc.). Ca. 50% aller Physikstudenten
der Universität München entscheiden sich für Astronomie
als Wahlfach im Physik-Diplom und besuchen die erforderlichen Vorlesungen,
Seminare und Praktika.
Gleichzeitig ist das Institut ein äußerst intensiver Nutzer
internationaler astronomischer Forschungsanlagen geworden. Seine Mitarbeiter
konnten und können sich immer wieder mit ihren Anträgen auf
Beobachtungszeit
auch gegen stärkste nationale und internationale Konkurrenz durchsetzen
und z.B. an der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf
La Silla Chile, am
Deutsch-Spanischen
Astronomiezentrum
auf dem
Calar Alto - Spanien oder am Observatorium auf dem Mauna Kea in
Hawaii mit den
dortigen
Großteleskopen ihre umfangreichen Forschungsvorhaben durchführen
oder mit Astronomiesatelliten (e.g.
Rosat,
Hubble Weltraumteleskop)
arbeiten. Gegenwärtig werden Beobachtungsprojekte entwickelt, die
mit dem Very Large Telescope (VLT), das in naher Zukunft auf dem Paranal
/ Chile in Betrieb gehen wird, realisiert werden sollen.
Daneben besitzt das Institut ein modernes 0.8m--Spiegeltteleskop auf
dem Wendelstein und ist Teilhaber des
11m--HET--Teleskops am McDonald
Observatory in Westtexas / USA.