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Geschichte der Universitäts-Sternwarte München
175 Jahre Sternwarte Bogenhausen
Vor 175 Jahren waren gerade die Baumassnahmen zur Errichtung einer neuen,
der königlichen Residenzstadt München würdigen Sternwarte
im Gange. Dies gibt Anlass, an die lange, wechselvolle Geschichte dieser
Institution zu erinnern, die sich auch heute noch an der historischen Stelle
im jetzigen Münchener Stadtteil Bogenhausen befindet.
Die Vorgeschichte
Die Gründung der Sternwarte in der Nähe des damaligen Dorfes
Bogenhausen im Jahre 1816 hat eine lange Vorgeschichte, die eng mit den
Aktivitäten der 1759 konstituierten Bayerischen Akademie der
Wissenschaften und den Erfordernissen der bayerischen Landesvermessung
verbunden ist. Obwohl in der Stiftungsurkunde der Bau einer Sternwarte
nicht ausdrücklich gefordert wurde, kam es in den folgenden Jahren
auf Privatinitiative von Akademiemitgliedern (J.G.D. v.Linprun, P. v.
Osterwald ) nacheinander zur Gründung von zwei Observatorien am
damaligen Stadtrand von München, denen aber jeweils nur ein kurzes Leben
beschieden war. Sie scheiterten haupsächlich daran, dass kein
hauptamtlicher Astronom zur Verfügung stand. An astronomischer
Tätigkeit ist lediglich die Beobachtung des Venusdurchgangs vom
6.6.1761 bekannt geworden.
Die politisch-militärische Lage in Bayern unmittelbar nach der Wende
zum 19. Jahrhundert brachte es dann mit sich, dass unter der Leitung
französischer Soldateningenieure die bayerische Landesvermessung
systematisiert und intensiviert wurde. Neben der Kartographie Bayerns diente
dieses Vorhaben auch den steuerpolitischen Plänen des Kurfürsten
Max IV. Joseph, da dieser beabsichtigte, das vermessene Land mit einer neuen
Steuer, der Grundsteuer, zu belegen. Präzise Ortsbestimmung,
ausgeführt an einer mit guten Instrumenten ausgestatteten Sternwarte,
war aber die conditio sine qua non erfolgreicher Vermessungsarbeit. Man
berief daher den Exbenediktiner, Mathematiker und Fachmann in
Vermessungsfragen Ulrich Schiegg (1752-1810) nach München, der dann im
Auftrage der Akademie im Januar des Jahres 1803 im Nordwest-Turm des
ehemaligen Jesuitenkollegs ( heute: Neuhauser Strasse ) ein kleines
Observatorium einrichtete. Schiegg hatte sich schon 1784 auch einen Namen
als Physiker und Luftfahrtpionier gemacht, als er wenige Monate nach den
Gebrüdern Montgolfier zwei selbst gebaute Heissluftballons startete.
Das Observatorium im Zentrum Münchens diente ausschliesslich den Zwecken
der Landesvermessung und kann als die Keimzelle der Sternwarte in Bogenhausen
bezeichnet werden. Die Zusammenarbeit Schieggs mit den französischen
Geodäten verlief aber nicht problemlos und als er - berechtigterweise -
auf Unstimmigkeiten in deren Messungen aufmerksam machte, wurde er auf
Betreiben der Franzosen im März 1805 seines Amtes enthoben und zu
Vermessungsarbeiten nach Franken abgestellt.
Sein Nachfolger, der Astronom und Mathematiker Karl Felix v. Seyffer
(1762-1822), der als der astronomische Lehrer von C.F. Gauss gilt, erhielt
nun vom Kurfürsten den Auftrag, eine grössere Sternwarte zu bauen
und einzurichten. Schon einen Tag nach Schieggs Entlassung löste Seyffer
dessen Observatorium auf und liess die vorhandenen Instrumente in eine
"hölzerne Hütte" auf dem vorgesehenen Standort zwischen Ramersdorf
und Haidhausen ( heute: Ostbahnhofgelände ) transportieren. In den
darauffolgenden Jahren war er dann allerdings mehr damit beschäftigt,
bei verschiedenen Feldzügen Napoleons als "Ingenieur-Geograph" zu
arbeiten, als sich um den Fortgang der Sternwartangelegenheit zu kümmern.
Die provisorische Anlage wurde 1807 eine offizielle Anstalt der eben neu
strukturierten Akademie und die aufstrebende feinmechanisch-optische
Werkstätte von Utzschneider, Reichenbach und Liebherr in München
erhielt den Auftrag, neue Instrumente anzufertigen. Es handelte sich hierbei
um einen Repetitionskreis, ein Äquatorial und ein Passageinstrument. Die
Erhebung Bayerns zum Königreich im Jahre 1806 und das hierdurch
gesteigerte Repräsentationsbedürfnis wirkte sich also günstig
auf den weiteren Fortgang aus, nicht jedoch die mangelnden Aktivitäten
Seyffers. Offenbar kam ausser der Bestimmung der Höhe und der
Festlegung der geographischen Länge der provisorischen Sternwarte nichts
zustande. Auch die kriegerischen Wirren der Zeit mögen zur schleppenden
Entwicklung der Dinge beigetragen haben: So montierten 1809 biwakierende
Truppen zumindest den Zaun der Sternwarte ab und benutzten ihn als
Brennmaterial für ihr Lagerfeuer. Die astronomischen Instrumente blieben
bei dieser Aktion jedoch ungefährdet, da Seyffer in weiser Vorraussicht
für deren Auslagerung gesorgt hatte. Als dann 1811/12 die bestellten
Instrumente geliefert wurden, stellte es sich heraus, dass diese im
vorhandenen Provisorium nicht optimal aufgestellt und genutzt werden konnten.
Ein Erweiterungs-bzw. Neubau evtl. sogar an einem anderen Platz war daher
unumgänglich geworden. Seyffer aber fühlte sich mehr von
topographischen Arbeiten angezogen, was schliesslich zum Vorwurf der
"astronomischen Untätigkeit" führte. Als noch einige von ihm
inszenierte Intrigen hinzukamen, wurde er 1813 zunächst von seinen
astronomischen Aufgaben dispensiert und der Physiker und Mathematiker Anselm
Ellinger ( 1758 - 1816 ) zu seinem Vertreter bestellt. Politische Gründe
spielten dabei jedoch auch eine gewisse Rolle: Die öffentliche Meinung
drängte nach dem verlorenen Russlandfeldzug Napoleons (1812), der 30.000
Bayern das Leben kostete, auf eine Abkehr von der bisherigen Orientierung
Bayerns an Frankreich. Sogar die "Holzhütte" wurde dabei zum Politikum,
denn ein Flugblatt prangerte an, dass die Sternwarte "Männern
überlassen sei, welche den Orden der französischen Ehrenlegion
hätten" . Seyffer wurde dann schliesslich zwei Jahre später, im
November 1815, endgültig als "Hofastronom" entlassen.
Abb.1:
Johann Georg v. Soldner ( 1776 - 1833 ), Kgl. Steuerrat und erster
Direktor der Sternwarte Bogenhausen. Vor seiner Berufung zum Direktor
erarbeitete Soldner die theoretischen Grundlagen der bayerischen
Landesvermessung.
An seine Stelle trat der Astronom und Vermessungsfachmann Johann Georg v.
Soldner (1776-1833), an den dann etwas später, am 1.4.1816, die
provisorische Sternwarte offiziell übergeben wurde. Soldner stammte aus
Mittelfranken und hatte seine astronomische Ausbildung bei Bode in Berlin
erhalten. Dort war auch seine erst über 100 Jahre später in ihrer
Bedeutung erkannte Arbeit "Über die Ablenkung eines Lichtstrahls von
seiner geradlinigen Bewegung, durch die Attraktion eines Weltkörpers, an
welchem er nahe vorbeigeht" entstanden, die ihn zu einer Art
Vorläufer Einsteins werden liess. Ab 1805 hatte er die Vermessung des
damals noch preussischen Fürstentums Ansbach geleitet, bevor er 1808
als Trigonometer bei der in München gerade neu gegründeten
Steuervermessungskommission eingestellt worden war. Hier hatte er in den
folgenden Jahren die theoretischen Grundlagen für die bayerische
Landesvermessung gelegt, als deren Vater er angesehen wird. U.a. auch wegen
dieser Verdienste wurde ihm später der persönliche Adelstitel
verliehen.
Der Bau der neuen Sternwarte
Nachdem durch die Ernennung Soldners zum Sternwartdirektor klare
Verhältnisse geschaffen waren, ging es atemberaubend schnell
vorwärts: Am 18.4.1816 reichte die Akademie Baupläne ein, die
vermutlich noch von Seyffer - wenn nicht sogar von Schiegg - stammten. Sicher
ist jedoch, dass Soldner einige Modernisierungen vornahm. Am 4.6.1816 erteilte
König Max I. Joseph dann den offiziellen Auftrag zum Bau einer neuen
Sternwarte. Man hatte sich nun endgültig dazu entschlossen, den Neubau an
einem anderen Ort auszuführen. Offenbar war der ungefähre Standort
schon von Seyffer in Erwägung gezogen worden, die endgültige Lage
wurde jedoch nachweislich von Soldner selbst sowie von Reichenbach und sehr
wahrscheinlich Fraunhofer festgelegt, den beiden bekanntesten
Repräsentanten der zwischenzeitlich weltberühmt gewordenen
optisch-feinmechanischen Firmen in München und Benediktbeuern. Man hatte
sich für eine kleine Anhöhe östlich des Dorfes Bogenhausen
entschieden, die sich inmitten eines flachen, nur mit Wiesen und Feldern
bestellten Geländes befand. Der Ort war nicht schlecht gewählt, da
die Sicht fast überall bis zum Horizont frei und die Verbindung zur Stadt
noch relativ günstig war. Ein Erlass sollte zudem jegliche störende
Bebauung oder Bepflanzung in der Umgebung der zukünftigen Sternwarte
verhindern, was tatsächlich viele Jahrzehnte wirksam war. Teils durch
Kauf, teils durch Tausch mit dem Haidhausener Grundstück kam der
Bogenhausener Grund in den Besitz der Akademie. Dabei auftretende Probleme
führten zu keinen grösseren Verzögerungen, denn schon am
11.8.1816 konnte der erste Spatenstich erfolgen.
Abb.2:
Die Kgl. Sternwarte zu Bogenhausen im Jahre 1820. Die
hufeisenförmige Anlage wurde auf einer kleinen Anhöhe errichtet.
Am 11.8.1816 fand der erste Spatenstich statt und im Laufe des Jahres 1819
wurde der astronomische Betrieb aufgenommen. Im Hintergrund sind einige
Häuser des Dorfes Bogenhausen zu erkennen.
Gebaut wurde die Anlage unter der technischen Leitung des Kgl. Hofbauinspektors
Franz Thurn. Die provisorische Sternwarte wurde abgerissen und die noch
verwertbaren Materialien beim Neubau verwendet. Um die Baukasse aufzubessern,
verkaufte man sogar den Hafer und Klee, mit dem der Bogenhausener Platz
bepflanzt war an die Bauern in der Umgebung. Die Arbeiten gingen zügig
voran und bereits am 15.11.1817 konnte Thurn Vollzug melden. Man hatte beinahe
50 000 Gulden (ca. 1 Million Mark nach heutigem Wert) verbraucht, ohne
Innenausbau und Aufstellung der Instrumente, was noch bevorstand. Soldner
nutzte die Gunst der Stunde und bemühte sich erfolgreich um weitere,
seiner Meinung nach unumgängliche Instrumente. Darunter war z.B. ein
Meridiankreis (Reichenbach und Ertel) und sehr wahrscheinlich auch ein
Heliometer (Utzschneider und Fraunhofer).
Das im Grundriss hufeisenförmige Gebäude hatte imposante Ausmasse:
Die Frontlänge betrug ca. 30 Meter, die beiden Seitenflügel waren je
ca. 15 Meter lang. Über eine Freitreppe aus Marmor gelangte man in die
zentrale Einheit, den Meridiansaal, der das Passageinstrument, den
Repetitionskreis und den Meridiankreis beherbergte. Der Saal war flankiert von
zwei Beobachtungstürmen: In der Ostkuppel kam das Äquatorial zur
Aufstellung und die Westkuppel diente der Beobachtung mit portablen
Instrumenten. Diese stammten teilweise noch aus Schieggs Beobachtungsstation,
hinzu kamen aber auch solche aus dem Besitz der berühmten Sternwarte des
aufgelösten Klosters St.Emmeram in Regensburg, die ab 1811 in der
Haidhausener "Holzhütte" untergebracht waren. In den Seitenflügeln
befanden sich die Bibliothek, ein Raum zur Lagerung der portablen
Instrumente sowie die Wohn-und Arbeitsräume des Astronomen, eines Gehilfen
und eines Dieners. Die Sternwarte war zudem mit zwei Küchen sowie - nicht
ganz alltäglich in jener Zeit - zwei innenliegenden "Abtritten"
eingerichtet, um deren Konstruktion sich Thurn besondere Gedanken gemacht
hatte: Um dem Einfluss der "Ausdünstungen der Abtritte" auf Möbel und
kostbare Instrumente zu begegnen, verband er die beiden Abtrittgruben jeweils
mit dem Zug eines Heizungskamins, so dass die "üblen Dünste" durch
die Kamine entweichen konnten.
Im September 1818 war Soldners Wohnung in der Sternwarte bezugsfertig und
erst jetzt konnte er sich intensiver um die Aufstellung und vor allem
Justierung der Instrumente kümmern. Schon am 4.1.1819 war es soweit: Die
systematische Beobachtungsarbeit mit dem Passageinstrument konnte mit einer
Messung des Meridiandurchgangs des Sterns alpha Lyrae begonnen werden.
Das Hauptinstrument, der bisher grösste Meridiankreis, bei dem die
Kreisteilung mit Reichenbachs berühmter Kreisteilmaschine vorgenommen
worden war, nahm seine Arbeit am 14.12.1819 mit einer Positionsbestimmung des
Sterns Polaris auf. Das bestausgestattetste Observatorium der Welt, die unter
der Verwaltung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften stehende
"Königliche Sternwarte zu Bogenhausen" war in Betrieb gegangen.
Die Zeit Soldners (1819 - 1833)
In der Anfangszeit war sehr oft die Prominenz der Münchener
Instrumentenbauer anwesend, einerseits um notwendig gewordene Reparaturen oder
instrumentelle Verbesserungen vorzunehmen, andererseits aber offenbar auch, um
astronomische Instrumente und Uhren vor dem Versand an die Auftraggeber von
Soldner auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Eine enge Freundschaft
verband Soldner besonders mit einem aus diesem Kreis, nämlich mit
Fraunhofer. Nachdem dieser um 1814 erstmals überhaupt versucht hatte,
Spektren der Venus und einiger sehr heller Sterne zu erzeugen und zu vermessen,
verbesserte und intensivierte er dann ab 1820 zusammen mit Soldner diese
Experimente an der neuen Sternwarte mit einem eigens hierfür gebauten
Instrumentarium. So wurde der Grundstein für eine der wichtigsten
Beobachtungsmethoden der modernen Astrophysik gelegt, deren Siegeszug bis
heute anhält. Soldner selbst sah seine Hauptaufgabe aber darin, die
Fundamentalsterne sowie die Positionen der Sonne, des Mondes und der Planeten
zu vermessen. Daneben fing er schon 1820 damit an, täglich Temperatur und
Luftdruck zu notieren und intensivierte ab 1825 diese Aktivitäten durch
strenge Einhaltung der täglich dreimaligen Ablesung der entsprechenden
Werte. Er gab so den Anlass einer weit über hundert Jahre andauernden
systematischen meteorologischen Messreihe an der Bogenhausener Sternwarte.
Abb.3:
Der Meridiankreis von Reichenbach und Ertel, bei dem die
Kreisteilung mit Reichenbachs berühmter Kreisteilmaschine vorgenommen
worden war. Er nahm am 14.12.1819 die systematische Arbeit im Meridiansaal
der Sternwarte auf. Die Aufnahme entstand um die Jahrhundertwende.
Im Jahre 1827 wurden die staatlichen Sammlungen, zu denen auch die Sternwarte
gehörte, von der Akademie getrennt und einem Kgl. Generalkonservatorium
unterstellt. Dies hatte jedoch nur im Hinblick auf Verwaltung und Etat eine
gewisse Bedeutung, da bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts der
Generalkonservator gleichzeitig auch Präsident der Akademie war.
Die Zeit Lamonts (1833 - 1879)
Zu Beginn des Jahres 1828 konnte Soldner aus gesundheitlichen Gründen
seinen Aufgaben nicht mehr voll gerecht werden. Unter seiner Aufsicht
führte daher sein junger Assistent, der Schotte Johann v. Lamont
(1805-1879), von nun an die Geschäfte der Sternwarte. Lamont war nach
seiner Erziehung im Schottenkloster in Regensburg zur weiteren Ausbildung 1827
an die Sternwarte in Bogenhausen gekommen und wurde 1835, zwei Jahre nach
Soldners Tod, offiziell zu deren Leiter bestimmt. Quasi als Antrittsgeschenk
erhielt er gleich ein neues Instrument, einen Refraktor aus der berühmten
ehemals Fraunhoferschen Werkstätte. Bestellt worden war schon zehn Jahre
zuvor eigentlich ein 12-zölliges Instrument, aber Merz, der Nachfolger
Fraunhofers, konnte nur ein Instrument mit 10.5 Zoll Öffnung liefern, das
1835 in einem separierten Gebäude südlich der Sternwarte zur
Aufstellung kam. Fraunhofer hatte noch vor seinem Tode 1826 die mechanischen
Teile konstruiert und es spricht einiges dafür, dass der Glasblock, aus
dem Merz die Linse schliff, auch noch von Fraunhofer selbst geschmolzen worden
war. Wegen der herausragenden Güte seines Objektivs war dieser Refraktor
für die nächste vier Jahre mit Sicherheit das beste Teleskop der
Welt, wenn auch nominell nicht ganz das grösste. Positionsbestimmungen in
Sternhaufen, erfolgreiche Suche und Vermessung von Doppelsternen, Untersuchungen
von "Nebelflecken" sowie die Beobachtung von Planeten und ihrer Monde
standen im Vordergrund der Arbeit mit diesem Teleskop.
Abb.4:
Der 1835 aufgestellte Refraktor aus der ehemals Fraunhoferschen
Werkstätte. Er war für vier Jahre das beste Teleskop der Welt,
befand sich bis 1969 in Betrieb und steht heute noch in seinem historischen
Gebäude im Park der Sternwarte. Die Aufnahme entstand um die
Jahrhundertwende.
Zwei Projekte verdienen
besondere Erwähnung: Von Januar bis Mai 1836 machte Lamont
Ortsbestimmungen des Kometen Halley und lieferte so die einzige brauchbare
Messreihe dieses Kometen nach dessen Periheldurchgang, die sich 150 Jahre
später als äusserst wertvoll für die GIOTTO-Raumflugmission
erweisen sollte. Desweiteren führte er die spektroskopischen Experimente
Fraunhofers weiter, u.a. indem er hinter dem Okular des Refraktors ein Prisma
einbaute und so Sterne bis 4. Grösse spektroskopieren konnte. Diese
Untersuchungen sind praktisch die einzigen ihrer Art für die
Nach-Fraunhofersche Zeit bis ca. 1860. Nach nur fünf Jahren erlahmte
jedoch Lamonts Interesse am systematischen Arbeiten mit dem Refraktor,
der dann jahrzehntelang nur noch sehr sporadisch genutzt wurde. Dass dies mit
der Aufstellung eines grösseren, ebenfalls aus der ehemaligen
Fraunhoferschen Werkstätte stammenden Refraktors ( 14 Zoll ) in Pulkowa
im Jahre 1839 zusammenhing, der natürlich dem Münchener Refraktor
den Rang ablief, kann heute nur noch vermutet werden. Jedenfalls organisierte
Lamont um 1840 unter dem Eindruck, dass immer mehr Meteorologie sowie
erdmagnetische und andere verwandte physikalische Untersuchungen von
Sternwarten betrieben wurden, auch den Aufgabenbereich der Bogenhausener
Sternwarte neu.
Abb.5:
Johann v. Lamont ( 1805 - 1879 ), zweiter Direktor der Sternwarte
Bogenhausen. Er stammte aus Schottland, arbeitete 51 Jahre an der Sternwarte
und führte sie auf dem Gebiet der Erforschung des Erdmagnetismus zu
Weltruhm.
In der Astronomie versprach er sich den grössten Erfolg durch die
Vermessung "teleskopischer" Sterne, da nur wenige Astronomen diesem Gebiet
etwas Aufmerksamkeit schenkten und andererseits die Entdeckung etwa noch
vorhandener Planeten, veränderlicher Sterne und Sterne mit grosser
Eigenbewegung sozusagen als Abfallprodukt zu erwarten seien. Tatsächlich
wurde der Planet Neptun vor seiner Entdeckung durch Galle im Jahre 1846 zweimal
in den Münchener Zonen aufgezeichnet, ohne dass dies jedoch besonders
aufgefallen wäre. Bis zum Jahre 1872 wurden dann mit dem Reichenbachschen
Meridiankreis die Positionen von mehr als 37500 Sternen bestimmt, die das
Ausgangsmaterial des 1890, 11 Jahre nach Lamonts Tod, herausgegebenen "Ersten
Münchener Sternverzeichnisses" bildeten.
Das Hauptinteresse Lamonts wandte sich jedoch den Problemen des Erdmagnetismus
zu und er konnte auf diesem Gebiet durch seine praktischen und theoretischen
Arbeiten die Sternwarte zu Weltruhm führen. Schon seit 1836 hatte er auf
Veranlassung von Gauss magnetische Messungen ausgeführt. Unter dem Einfluss
vor allem Humboldts war die Errichtung magnetisch-meteorologischer
Observatorien um 1838/1840 besonders in England und Russland vorangetrieben
worden. Lamont wurde 1839 von der Royal Society in London gebeten, sich an
diesen Aktivitäten zu beteiligen. Er wandte sich in dieser Sache direkt
an König Ludwig I. und erreichte, dass noch 1840 ein entsprechendes
unterirdisches magnetisches Observatorium auf dem Sternwartgelände gebaut
wurde. Schon Anfang Juli 1840 konnte mit den Messungen begonnen werden, die
dann aber ab 1846 im wesentlichen oberirdisch weitergeführt wurden, da
das unterirdische Observatorium schon in Verfall geraten war. Daneben
unternahm Lamont in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Reisen in Bayern und
Norddeutschland sowie in das europäische Ausland, um dort Richtung und
Stärke des irdischen Magnetfeldes zu messen mit dem Endziel, magnetische
Gesetzmässigkeiten aufzudecken und eine magnetische Karte Bayerns und
Europas herzustellen.
Arbeiten über Erdstrom und Telegraphenströme wurden wohl auch durch
Versuche Steinheils angeregt, der 1837 zwischen der Sternwarte und der
physikalischen Werkstätte der Akademie die erste praktisch verwertbare
telegraphische Nachrichtenübermittlung der Welt durchgeführt hatte.
Ab 1852 bestand dann eine telegraphische Verbindung zwischen der Sternwarte
und der zentralen Telegraphenstation in München. Täglich um 12 Uhr
mittags erhielt diese ein Zeitsignal von der Sternwarte und gab es an alle
bayerischen Eisenbahn - und Telegraphenstationen weiter. Dabei blieb es bis in
die Tage des 2. Weltkrieges:
Die amtlichen Uhren in ganz Bayern hatten sich nach der von der Sternwarte
in Bogenhausen bestimmten Zeit zu richten.
In dem für die Sternwarte so entscheidenden Jahr 1840 wurden auch die
meteorologischen Messungen intensiviert und versucht, meteorologische
Zusammenhänge zu erforschen. Jede Stunde, Tag und Nacht, wurden Luftdruck,
Temperatur und Feuchtigkeit aufgezeichnet, ab 1846 auch mit registrierenden
Geräten. Gleichzeitig wurden Bewölkung, Wind, Niederschläge,
Bodentemperatur etc. festgehalten und so eine Sammlung praktisch
lückenloser
meteorologischer Daten bis etwa 1883 erhalten. Lamonts Absichten gingen aber
noch weiter: Die Sternwarte sollte zum meteorologischen Zentrum Bayerns werden.
Meteorologen aus ganz Bayern sandten sowieso schon seit geraumer Zeit ihre
Beobachtungen zur Auswertung an die Sternwarte, was schliesslich zur
Gründung eines meteorologischen Vereins führte. Um die Anzahl der
Stationen zu vergrössern wurde auf Lamonts Betreiben eine aus dem Jahre
1803 stammende Vorschrift, nach der die Kgl. Gerichtsärzte auch
meteorologische Beobachtungen anzustellen hatten, im Jahre 1839 wieder neu
erlassen, da diese in Vergessenheit geraten war. Lamont erntete mit dieser
Aktion bei den Betroffenen keine Beifallsstürme, denn von ca. der
Hälfte der knapp 400 Ärzte wurden gar keine Beobachtungen eingesandt
und von den restlichen waren nach 10 Jahren nur mehr einige wenige
übrig geblieben, die der Aufforderung noch nachkamen.
Bei all seinen astronomischen, magnetischen und meteorologischen
Untersuchungen war Lamont oft in die Lage versetzt, eigene Gerätschaften
anfertigen zu müssen oder vorhandenes Instrumentarium zu verbessern,
wobei ihm sein Einfallsreichtum und sein technisches Geschick von Nutzen waren.
Da er der Meinung war, dass die Instrumente besser und billiger in einer
eigenen Werkstätte angefertigt werden könnten, hatte er schon vor
seiner Amtsübernahme 1833 entsprechende Vorkehrungen getroffen und
beschäftigte dann ab 1835 im Ostflügel des Gebäudes zunächst
einen und dann mehrere Mechaniker. Die Bogenhausener Sternwarte gehört
damit zu den ersten überhaupt, die eine angegliederte feinmechanische
Werkstatt besassen. Die Palette der angefertigten Instrumente reichte von
einem Zonenapparat zur bequemeren Messung am Meridiankreis, speziellen
Okularen und thermo-elektrischen Apparaten zur Messung relativer Helligkeiten
der Sonnenoberfläche (ab etwa 1850 beschäftigte sich Lamont auch mit
Sonnenphysik; er verfolgte in diesem Zusammenhang z.B. auch die totale
Sonnenfinsternis vom 18.7.1860 in Südspanien ) über eine Anzahl
meteorologischer und magnetischer Instrumente bis hin zu diversen
Registriereinrichtungen und einer mechanischen Rechenmaschine für die
schnellere und bequemere Reduktion der Meridianmessungen. Vor allem seine
magnetischen Instrumente waren begehrt und magnetische Reisetheodoliten aus
Bogenhausen gelangten auf Expeditionen bis ins südliche Afrika, nach
Ostindien und Australien. Einmal, im Revolutionsjahr 1848, drohte fast die
Schliessung der Werkstatt, da diese gewissen Handwerkerkreisen ein Dorn im
Auge war. Lamont konnte dies aber verhindern und erreichte darüberhinaus,
dass die Werkstatt, die die ganze Zeit über von ihm privat finanziert
worden war, 1853 sogar eine offizielle Einrichtung der Sternwarte wurde. Sie
ist bis heute bei ihr verblieben.
Lamonts Interessen reichten aber noch weiter: Er gab für längere Zeit
ein Jahrbuch bzw. einen astronomischen Kalender heraus, in dem neben
detaillierten astronomischen, meteorologischen und allgemeinen physikalischen
Informationen z.B. auch solche bezüglich der Bevölkerungsstatistik,
der wirtschaftlichen Entwicklung und der Geographie Bayerns, der
Strafrechtspflege, des Münzwesens und der Genealogie des Königlichen
Hauses zusammengetragen sind: Ein buntes Kaleidoskop der Verhältnisse im
frühen Königreich Bayern.
Lamont starb 1879 hochgeehrt, als Mitglied zahlloser gelehrter Gesellschaften
und von König Ludwig II. geadelt, nach 51-jähriger Tätigkeit an
der Sternwarte und liegt auf dem Bogenhausener Dorffriedhof begraben, der
Ruhestätte fast aller Sternwartdirektoren. Er war wie Soldner
unverheiratet geblieben und vermachte sein durch bescheidene Lebensführung
angesammeltes, beträchtliches Vermögen einem von ihm schon 1853 an
der Ludwig-Maximilians-Universität München gegründeten
Stipendienfond. Lamont hatte seit 1837 an der Universität gelehrt und war
1852 Lehrstuhlinhaber für Astronomie geworden. So war eine
Personalunion zwischen diesem Amt und dem des Sternwartdirektors geschaffen
worden, die bis heute Bestand haben sollte. Man benannte eine Strasse in
Bogenhausen nach ihm, eine Ehre, die auch seinem Vorgänger Soldner zuteil
wurde. Auch die Astronomen standen nicht zurück: Ein Mondkrater von 175
km Durchmesser und ein Marskrater von 235 km Durchmesser tragen seinen Namen.
Die Zeit Seeligers (1882 - 1924)
Nach dreijähriger Vakanz, während der der Mathematiker Ludwig Seidel
(1821 - 1896) die Geschäfte führte, wurde 1882 der in
Österreichisch-Schlesien geborene Hugo v. Seeliger (1849-1924) neuer
Direktor der Sternwarte. Obwohl er sich schon in jungen Jahren als Leiter der
deutschen Venusexpedition zu den Auckland-Inseln (1874) hervorgetan hatte und
auch in München durchaus selbst beobachtete, lagen seine Interessen
eindeutig im theoretischen Bereich. Mit seinen Arbeiten auf den Gebieten der
Stellarstatistik, Fehlertheorie, Himmelsmechanik, Theorie der Novae und der
Photometrie staubförmiger Massen wurde er mit Sicherheit zum bedeutendsten
deutschen Astronomen seiner Zeit. Auch wenn einige seiner Überlegungen
modernen Erkenntnissen nicht mehr standhalten, ist es sein Verdienst,
grundlegende Probleme erkannt und die Voraussetzungen späterer
Entwicklungen geschaffen zu haben. Er führte im Laufe seiner
42-jährigen Dienstzeit die Münchener Sternwarte nun auch auf
astronomischem Gebiet zur Weltgeltung. Unter seinen zahlreichen Schülern
waren auch solche aus Amerika. Der bedeutendste von allen wurde Karl
Schwarzschild, der 1898 bei ihm promovierte. Wie Lamont erfuhr auch Seeliger
schon zu Lebzeiten hohe Ehrungen, wurde in den Adelsstand erhoben und war
Mitglied zahlreicher Akademien und gelehrter Gesellschaften. Neben seiner
Lehr-und Forschungstätigkeit bekleidete er von 1883 bis 1896 das Amt des
Schriftführers der Astronomischen Gesellschaft, war für 25 Jahre
(1896 - 1921) deren Vorsitzender und leitete von 1919 bis 1924 als deren
Präsident die Geschicke der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Nach
seinem Tode im Jahre 1924 gab die Stadt München einer Strasse in
Bogenhausen seinen Namen und die Astronomen benannten einen Mondkrater von
8 km Durchmesser nach ihm.
Abb.6:
Hugo v. Seeliger ( 1849 - 1924 ), dritter Direktor der Sternwarte
Bogenhausen. Er war der bedeutendste deutsche Astronom seiner Zeit und
brachte die Sternwarte auf astronomischem Gebiet zur Weltgeltung.
Bei seinem Amtsantritt sah sich Seeliger zu einer Neuorganisation der
Sternwarte gezwungen: Astronomie und Geophysik schienen ihm bei der gegebenen
Personallage nicht gleichzeitig erfolgreich betrieben werden zu können.
Er entschied sich für die Astronomie und ab 1883 wurden die magnetischen
und meteorologischen Messungen zwar nicht ganz eingestellt, aber stark
reduziert. Nachdem ab 1887 aus Kostengründen die magnetischen Messungen
ganz aufgegeben worden waren, kam in den Jahren 1897/98 auf Veranlassung der
Akademie, die die Tradition geophysikalischer Beobachtungen in Bogenhausen
fortsetzen wollte, der Bau eines neuen, mit den erforderlichen Instrumenten
grosszügig ausgestatteten erdmagnetischen Observatoriums zustande, bei
gleichzeitiger Aufstockung des Personals. Der regelmässige erdmagnetische
Beobachtungsbetrieb konnte dann 1899 wieder aufgenommen werden. Damit war auch
der Startschuss für erweiterte geophysikalische Aktivitäten gefallen:
Im Jahre 1904 wurde eine Erdbebenwarte errichtet und man begann mit
regelmässigen Messungen der Luftelektrizität. In den Jahren 1903 bis
1911 kam es zu einer umfassenden, auf fast 200 Feldstationen basierenden
erdmagnetischen Aufnahme Bayerns. Ab 1912 arbeitete schliesslich noch eine
Erdbebennebenstelle in Nördlingen, die zur Registrierung der Nachbeben
der Rauhen Alb eingerichtet worden war. Die geophysikalischen Einrichtungen
erhielten dann 1922 die offizielle Bezeichnung "Erdphysikalische Warte bei der
Sternwarte". Während dieser ganzen Zeit bestand auch eine enge
astronomisch-geodätische Zusammenarbeit mit der Bayerischen
Erdmessungskommission, die ihr Büro (bis 1953) an der Sternwarte betrieb.
Seine Hauptaufgabe sah Seeliger natürlich auf astronomischem Gebiet und
hier waren zunächst einige instrumentelle und bauliche Neuerungen
notwendig. Der Refraktor erhielt 1883 eine neue Montierung, das
Refraktorgebäude wurde mit einer neuen Drehkuppel versehen und 1882 ein
Verbindungsgang zum Hauptgebäude gebaut. Letzteres musste auch einer
gründlichen Renovierung unterzogen werden. Schliesslich bekam 1886
Seeliger auf dem Sternwartgelände eine eigene Dienstvilla errichtet. Da
der Reichenbachsche Meridiankreis inzwischen veraltet war, wurde 1891 ein
moderner Meridiankreis ( Repsold/Hamburg ) im Meridiansaal installiert, der
bald zum Hauptinstrument der Sternwarte werden sollte. Von den kleineren
Instrumenten ist ein 1883 aufgestellter fünfzölliger Refraktor von
Steinheil zu erwähnen, der 1900 noch mit zwei 10 cm - Astrokameras von
Zeiss versehen wurde. Ersterer diente im wesentlichen zur Ortsbestimmung von
Kometen und Planeten, mit letzteren wurde ein umfangreiches photographisches
Beobachtungsprogramm zur Untermauerung von Seeligers Theorie zur
räumlichen Anordnung der Sterne gestartet.
Eine sehr rege Beobachtungstätigkeit setzte ab 1884 am grossen Refraktor
ein. Für Jahrzehnte bildete die Ortsbestimmung von Kometen ein
Hauptarbeitsgebiet, gefolgt von Untersuchungen der grossen und kleinen
Planeten. Dies führte 1897 auch zur Entdeckung eines kleinen Planeten,
der nach der Stadt München den Namen "MONACHIA" erhielt. Daneben stand
immer wieder die Vermessung des Saturn-Ringsystems sowie die Beobachtung von
Doppelsternen, Sternhaufen und "Nebelflecken" auf dem Programm. Helligkeiten
von Novae wurden ab ca. 1910 mit einem Töpferschen Keilphotometer
bestimmt und 1913 wurde der Refraktor fast ein Jahr lang zur photometrischen
Untersuchung der Sonne mit Hilfe lichtelektrischer Kaliumzellen eingesetzt.
Abb.7:
Der Meridiankreis von Repsold, der 1891 im Meridiansaal aufgestellt
wurde und jahrzehntelang das Hauptinstrument der Sternwarte war. Die
Aufnahme entstand um die Jahrhundertwende.
Der Reichenbachsche Meridiankreis wurde bis 1889 im wesentlichen dafür
genutzt, um diejenigen ca. 10 000 Sterne neu zu vermessen, deren Daten sich in
den Lamontschen Aufzeichnungen als unsicher erwiesen hatten. Der resultierende
Katalog, das "Zweite Münchener Sternverzeichnis", kam 1891 zur
Publikation. Später wurde der "alte" Meridiankreis praktisch nur noch zur
Zeitbestimmung herangezogen. Hiervon profitierten jetzt auch Münchener
Uhrmacher, denn es war offenbar in Mode gekommen, Pendel- und Taschenuhren der
Sternwarte zur Prüfung vorzulegen. Neben der ständigen Beobachtung
der Fundamentalsterne wurden am Repsoldschen Meridiankreis zunächst
umfangreiche Untersuchungen zur Refraktionstheorie durchgeführt, an die
sich Messreihen zur Erstellung eines Kataloges von Zenitsternen für die
Zwecke der Bayerischen Erdmessungskommission anschlossen. Zwischen 1908 und
1914 erfolgte eine parallaktische Durchmusterung und basierend auf ca. 40000
Einzelbeobachtungen konnten die Parallaxen und Eigenbewegungen von fast 9 000
Sternen bestimmt werden.
Abb.8:
Die Sternwartanlage um die Jahrhundertwende. Links das 1816/17
errichtete Hauptgebäude mit dem etwas vorspringenden Meridiansaal und den
beiden Beobachtungskuppeln. Rechts das Refraktorgebäude aus dem
Jahre 1835, das den "Fraunhoferschen" Refraktor beherbergt. Dazwischen
der Verbindungsgang, der 1882 gebaut wurde. ( Blick von SW )
Abb.9:
Blick über das Dach des Meridiansaales der Sternwarte nach SW
auf München. Die 1886 errichtete Direktorenvilla ( Mitte ) wurde im 2.
Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Die Aufnahme entstand
um die Jahrhundertwende.
Nach der 1892 erfolgten Eingemeindung Bogenhausens machte sich aber
allmählich
der Einfluss der expandierenden Stadt auf die praktische astronomische und
geophysikalische Arbeit an der Sternwarte bemerkbar. Um die Jahrhundertwende
hatte man bei der Projektierung der Possartstrasse die Bedürfnisse der
Astronomen noch berücksichtigt und diese Strasse exakt in
Nord-Süd-Richtung angelegt, um die Meridiankreisbeobachtungen nicht durch
Häuser zu stören. Die fortschreitende Bebauung in der Umgebung und
die damit einhergehende Strassenbeleuchtung führte jedoch zunehmend zur
Aufhellung des Nachthimmels und erschwerte so vor allem photographisches
Arbeiten immer mehr. Auch die geophysikalischen Arbeiten wurden allmählich
durch die Erschütterungen des wachsenden Strassenverkehrs in
Mitleidenschaft gezogen und speziell der Ausbau des Strassenbahnnetzes
(Ismaninger Strasse ) setzte dann 1927 den erdmagnetischen Messungen
an der Sternwarte definitiv ein Ende.
Abb.10:
Blick vom Dach des Westflügels der Sternwarte nach SO.
Links: Ostkuppel des Hauptgebäudes, Vordergrund: Dach des Meridiansaales,
Mitte: Refraktorgebäude, Hintergrund: Ziegeleien. Die Aufnahme entstand
um die Jahrhundertwende. Schon wenige Jahre später war die Sternwarte von
Häusern eingeschlossen.
Die Zeit zwischen den Weltkriegen, Zerstörung und Wiederaufbau
(1925 - 1961)
Die Nachfolger Seeligers, der in Hamburg geborene Alexander Wilkens (1881-1968)
und der aus Breslau stammende Wilhelm Rabe (1893-1958), die die Sternwarte
jeweils nur für relativ kurze Zeit leiteten (1925-1934 bzw. 1935-1946),
konnten wegen der so entstandenen ungünstigen Lage des Observatoriums mit
den modernen Entwicklungen der beobachtenden Astronomie auch nicht Schritt
halten. Dies wäre nur durch eine Verlegung bzw. die Errichtung einer
Aussenstation mit entsprechendem Instrumentarium ausserhalb der Grossstadt
möglich gewesen. Die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten
verhinderten jedoch die Realisierung solche Pläne, die von beiden gehegt
wurden. Positionsastronomie konnte zwar noch ohne grössere
Beeinträchtigung weiterbetrieben werden, aber sie besass neben der sich
stürmisch entwickelnden Astrophysik nicht mehr den Stellenwert wie
früher. Ausserdem kamen Probleme hinzu, die in der
Persönlichkeitsstruktur Wilkens lagen und sich in autoritärem, wenn
nicht sogar gelegentlich schikanösem Verhalten seinen Mitarbeitern
gegenüber äusserten und das Arbeitsklima ungünstig beeinflussten.
Nach 1933 benutzten daher einige Mitarbeiter politisch unvorsichtige
Äusserungen Wilkens als Vorwand, um mit Erfolg seine Entlassung zu
betreiben. Auch in der Frage der Nachfolge spielte politischer Einfluss eine
Rolle: Rabe, der seit 1927 an der Sternwarte arbeitete und nicht in die
Affäre Wilkens verwickelt war, wurde vom Reichsministerium für
Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vorgeschlagen und auch durchgesetzt.
Abb.11:
Der Askania-Vertikalkreis, ein Spezialinstrument zur Bestimmung
absoluter Deklinationen. Er wurde 1927 aufgestellt und ist heute das letzte
Instrument seiner Art in Deutschland, das noch in Betrieb ist.
Wilkens war der klassischen Astronomie noch sehr verhaftet und war dabei
Theoretiker und Praktiker zugleich. In seiner Münchener Zeit (er war
vorher Direktor der Sternwarte in Breslau und ging später nach La
Plata/Argentinien) beschäftigte er sich im wesentlichen mit
störungstheoretischen Untersuchungen und setzte seine in Breslau
begonnenen absoluten Deklinationsbeobachtungen von Sternen fort. Hierzu wurde
1927 ein Spezialinstrument, ein siebenzölliger Vertikalkreis
(Askania/Berlin) in Betrieb genommen. Das dazugehörende Gebäude
mit dem charakteristischen halbtonnenförmigen Dach kam südlich des
Hauptbaus neben dem Refraktorgebäude zur Aufstellung. Rabe gelang
später mit diesem Instrument der wichtige Nachweis, dass
unerklärbare Fehler, die bisher bei vielen Vertikal- und auch
Meridiankreismessungen auftraten, bei richtiger Berücksichtigung der
Fernrohrbiegung beseitigt werden können. Neben den Arbeiten mit dem neuen
Instrument und am Repsoldschen Meridiankreis (Fundamentalsterne, Katalog der
Astronomischen Gesellschaft, Doppelsterne, Untersuchungen zur
Aberrationskonstante ) kam es in bescheidenem Umfang auch zu
astrophysikalischen Messungen. So wurde z.B. in den Jahren 1928 bis 1932 mit
einer der Astrokameras eine "Aktinometrie" heller Sterne durchgeführt und
nachdem zunächst mit dem grossen Refraktor, der 1926 einen elektrischen
Antrieb von Zeiss erhalten hatte, noch in gewohnter Weise Kometen, D
oppelsterne und "Nebel" beobachtet wurden, setzten dann Bestrebungen ein,
ihn zu einem "Photo-Refraktor" umzubauen. 1932 konnte ein für
photographische Zwecke korrigiertes 28.5 cm-Objektiv von Steinheil montiert
und zur Bestimmung der Farbindizes von helleren Sternen eingesetzt werden. Der
ursprüngliche Zustand am Refraktor wurde 1934 wieder hergestellt und Rabe
begann mit seinen Mikrometermessungen physischer Doppelsterne, die er mehr als
20 Jahre fortsetzte und die ihn zu einem der bedeutendsten Beobachter auf
diesem Gebiet werden liessen. Die Astronomen würdigten seine Verdienste,
indem sie einen Marskrater von 105 km Durchmesser nach ihm benannten.
Erweiterte Möglichkeiten waren gegeben als im Jahre 1931 der Arzt Hermann
Strebel seine Privatsternwarte in Herrsching am Ammersee mit umfangreichem
Instrumentarium (mehrere Refraktoren und Spiegel, der grösste mit 60 cm
Durchmesser) notariell der Sternwarte vermachte und noch viele Jahre selbst
auf seinem Spezialgebiet, der Erforschung der Sonnenflecken und der Granulation
mitarbeitete. Neben photographischen Methoden kamen dabei auch
lichtelektrische- und Thermozellen zum Einsatz. Der 60 cm-Spiegel wurde 1935
auf dem Gelände der Sternwarte in Bogenhausen aufgestellt und damit ein
vierjähriges Programm der photographischen Messung enger Doppelsterne
durchgeführt.
Die Arbeit der Erdphysikalischen Warte erfuhr in diesen Jahren mehrfach
Änderungen: Als die erdmagnetischen Messungen in Bogenhausen 1927
aufgegeben werden mussten, baute man in Maisach (zwischen München und
Augsburg) in einem Holzschuppen und einem ehemaligen Brauereikeller eine
Aussenstation auf, die 1931 ihren regelmässigen Betrieb aufnahm. Im
gleichen Jahre musste vor allem aus finanziellen Gründen die
Erdbebenaussenstelle Nördlingen aufgelassen werden. Auch Maisach sollte
kein langes Leben beschieden sein: Schon 1935 machten sich Störungen
durch den Bau eines nahegelegenen Flugplatzes bemerkbar, die sich dann
verstärkten und 1938 zur Verlegung der Station in ein Waldgebiet bei
Fürstenfeldbruck führten. Luftelektrische Messungen und
Erdbebendienst konnten praktisch bis zum Ende des 2. Weltkrieges in Bogenhausen
fortgesetzt werden. Daneben wurde 1927/28 eine erdmagnetische Aufnahme der
Rheinpfalz und Teilen des Saarlandes und 1929 eine solche des Fichtelgebirges
und des Frankenwaldes ausgeführt. Im Rahmen einer "Erdmagnetischen
Reichsvermessung" wurde dann 1934/35 nicht nur in Bayern, sondern auch in
West-, Mittel- und Norddeutschland Feldarbeit geleistet. Fast ein Drittel der
über 550 Punkte umfassenden Aufnahme wurde von den Fachleuten aus
München bearbeitet.
Der 1939 ausgebrochene 2. Weltkrieg schränkte dann die wissenschaftlichen
Aktivitäten der Sternwarte sehr stark ein, da das Personal zum
grössten Teil zum Militärdienst eingezogen wurde. Auch schon
während des 1. Weltkrieges zur Zeit Seeligers hatte man unter
ähnlichen Bedingungen zu leiden. Diesmal aber erfasste der Krieg auch
unmittelbar die Sternwarte in Bogenhausen: Nach schweren Luftangriffen am 11.
und 13. Juli 1944 brannte der Ostflügel des Hauptgebäudes völlig
aus, der Westflügel wurde teilweise zerstört und sämtliche
Dächer in Mitleidenschaft gezogen. Die Direktorenvilla, in deren
Erdgeschoss seit 1935 Büroräume, Bibliothek und Hörsaal
untergebracht waren, wurde grösstenteils ein Raub der Flammen.
Glücklicherweise konnte praktisch die gesamte wertvolle Bibliothek
gerettet werden und bis auf den Repsoldschen Meridiankreis blieben auch die
Instrumente unbeschädigt.
Abb.12:
Die Sternwarte Bogenhausen nach den Luftangriffen vom 11. und
13.7.1944 ( Blick von NW ). Der Wiederaufbau wurde 1946 begonnen und
war 1954 abgeschlossen.
Nachdem Rabe auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung im Januar
1946 sein Amt aufgeben musste, wurde im April des gleichen Jahres Erich
Schoenberg (1882-1965) zum Direktor der Sternwarte berufen, die seit ihrer
1938 (mit Rückwirkung zum 1.4.1937) erfolgten Angliederung an die
Fakultät für Physik der Universität München
zwischenzeitlich zur "Universitäts - Sternwarte" geworden war. Schoenberg,
in Warschau geboren, war für beinahe 20 Jahre Direktor der Sternwarte
Breslau gewesen, bevor er in München fast schon im Rentenalter die
Aufgabe übernahm, ein baulich zerstörtes und personell ausgezehrtes
Institut zu neuem Leben zu erwecken. Der gleich bei seinem Amtsantritt
begonnene Wiederaufbau der Gebäude konnte erst 1954 abgeschlossen werden.
Lediglich die zerstörte Direktorenvilla wurde nicht wieder hergestellt,
sondern 1956, ein Jahr nach Schoenbergs Emeritierung, abgetragen.
Abb.13:
Um der drängenden Raumnot zu begegnen, wurden nach der
Jahrhundertwende bauliche Änderungen am Sternwartgebäude vorgenommen.
Die Photographie, aufgenommen ca. 1959 mit Blick von SO, zeigt einen
Erweiterungsbau auf dem Westflügel der Sternwarte, der schon gegen Ende der
Seeliger - Zeit entstand. Die Hütte auf dem Verbindungsweg Sternwarte -
Refraktorgebäude stammt aus der Zeit Schoenbergs und sollte einen
Coelostaten beherbergen. Der Holzschuppen rechts diente als Garage. (Photo:
Prof. W.Petrie )
Das Jahr 1949 brachte einschneidende Änderungen im Institutsgefüge:
Alle geophysikalischen Einrichtungen wurden von der Sternwarte abgezogen und
zusammen mit der Aussenstelle Fürstenfeldbruck dem an der Universität
neu gegründeten Institut für Geophysik übertragen, das die
über 100-jährige Tradition geophysikalischer Messungen fortsetzte.
Im gleichen Jahre wurde das kurz vor dem Kriege im wesentlichen aus
militärischen Überlegungen heraus errichtete und 1941 in Betrieb
gegangene Sonnenobservatorium Wendelstein von den amerikanischen Behörden
dem bayerischen Staat übergeben, der es der Sternwarte angliederte.
Dieses Observatorium war dann bis 1987, eingebettet in ein weltweites
Beobachtungsnetz, vor allem zur Überwachung der Sonnenaktivität
eingesetzt.
Die Beobachtungen am grossen Refraktor und am Vertikalkreis konnten nach
knapp zweijähriger Unterbrechung 1946 wieder aufgenommen werden. Der
reparierte Repsoldsche Meridiankreis wurde 1950 wieder aufgestellt und die
abgebrochenen Messungen für den Fundamentalkatalog der Astronomischen
Gesellschaft fortgesetzt. Im gleichen Jahre wurde ein achtzölliger
Refraktor aus der 1946 aufgelösten Aussenstelle Herrsching in der
Westkuppel in Betrieb genommen und 1952 das Instrumentarium durch die
Aufstellung eines Väisälä-Schmidt-Spiegels von 34 cm
Öffnung in der Ostkuppel ergänzt. Mit dem Vertikalkreis, der zu
diesem Zweck 1954 zum Mt. Stromlo Observatorium in Australien gebracht
worden war, konnte im Rahmen einer zweijährigen Beobachtungsreihe die
Ursache der Diskrepanz zwischen den Deklinationssystemen der beiden
Hemisphären geklärt werden. Neben Himmelsmechanik und Astrometrie
standen die Dunkelwolken der Milchstrasse im Mittelpunkt theoretischer
Untersuchungen, die durch Beobachtungen an einem 1950 auf dem
Wendelstein-Ostgipfel errichteten kleinen Observatorium ergänzt wurden.
Der Betrieb in dieser Beobachtungsstation wurde 1960 aus finanziellen und
personellen Gründen wieder eingestellt.
Von 1955 bis 1961 war Walter Rollwagen, Direktor des 2. Physikalischen
Instituts der Universität, als kommissarischer Leiter der Sternwarte
eingesetzt. In dieser Zeit wurden im wesentlichen die Arbeiten am grossen
Refraktor (Doppelsterne) sowie an den beiden Passageinstrumenten fortgesetzt
und es kam zu zwei erfolgreichen Sonnenfinsternisexpeditionen mit dem Ziel,
die relativistische Lichtablenkung am Sonnenrand zu messen. Die erste
führte 1959 nach Kidal in die südliche Sahara Westafrikas und die
zweite 1961 nach Ancona/Italien. Eine dritte Expedition zum Ufer des Grossen
Sklavensees in Kanada im Jahre 1963 brachte dagegen wegen starker
Zirrusbewölkung während der Verfinsterung kein Ergebnis.
Das neue Institut
Im Jahre 1961 übernahm schliesslich Peter Wellmann für die
nächsten 21 Jahre die Leitung der Sternwarte. Die Zeit der innerhalb oder
im Einzugsbereich dichtbevölkerter Städte betreibbaren, den modernen
Problemstellungen gerecht werdenden beobachtenden Astronomie war endgültig
vorrüber und es war klar geworden, dass ein Schritt zum Anschluss an den
vor allem in Amerika erreichten Standard astrophysikalischer Forschung
für ein relativ kleines und von der Lage her benachteiligtes
Universitätsinstitut mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten
nur durch einen tiefgreifenden Einschnitt herbeizuführen sei. Da
ausserdem schon seit einiger Zeit Bestrebungen auf europäischer Ebene im
Gang waren, modernstes Beobachtungsinstrumentarium zur gemeinsamen Nutzung in
hervorragender Lage zur Verfügung zu stellen, konnte man sich
zunächst darauf beschränken, moderne Arbeits- und
Unterrichtsmöglichkeiten zu schaffen. Im Mai 1964 wurde daher mit dem
Abriss des fast 150-jährigen, von der Konzeption her diesen Anforderungen
nicht genügenden Sternwartgebäudes begonnen und im Juni der Bau eines
neuen Institutsgebäudes an der historischen Stelle in Angriff genommen.
Nach über zweijähriger Bauzeit konnte am 10.10.1966 der Einzug
erfolgen und die Arbeit in dem mit mehreren Elektroniklabors, einem
Chemielabor, einer Feinmechaniker- und Tischlerwerkstatt und einer (für
damalige Verhältnisse) beeindruckenden Rechenanlage versehenen
Gebäude aufgenommen werden.
Abb.14:
Das Hauptgebäude der alten Sternwarte wurde im Mai 1964
abgerissen und in zweijähriger Bauzeit das neue, modernen Anforderungen
genügende Institutsgebäude errichtet. Der Einzug fand am 10.10.1966
statt. ( Blick von SO )
Im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses stand nun die Astrophysik,
vor allem mit Arbeiten zur Theorie der Sternatmosphären und
Modellatmosphärenrechnungen, die dann später auch an den Computern
des Leibniz-Rechenzentrums durchgeführt wurden. 1979 wurde die Sternwarte
an das Fernverteilungsnetz des Rechenzentrums angeschlossen und die ersten
Terminals im Institut aufgestellt. Auf instrumentellem Gebiet war man in der
Entwicklung und dem Bau einer ganzen Reihe von Messgeräten und
Teleskopinstrumentierungen erfolgreich. Ab 1970 wurden öfter
Gerätekombinationen am Observatorium Hoher List/Eifel erprobt und kamen
seit diesem Zeitpunkt auch sehr oft an der zwischenzeitlich aufgebauten
Europäischen Südsternwarte (ESO) auf La Silla/Chile und ab 1978
am Deutsch-Spanischen Astronomiezentrum auf dem Calar Alto/Spanien zum
Einsatz. Letzteres geschah im Rahmen der häufigen Forschungsaufenthalte
von Mitarbeitern der Sternwarte an diesen Observatorien, die hauptsächlich
der Spektroskopie, Photometrie und Polarimetrie spezieller Typen
veränderlicher Sterne dienten.
Abb.15:
Das ehemalige Sonnenobservatorium auf dem 1838 m hohen Wendelstein,
ca. 75 km s"ud"ostlich von M"unchen. Seit 1989 wird es nur noch zur
Nachtastronomie eingesetzt. Die Aufnahme zeigt schon die neue Kuppel
( Mitte ), die ein modernes 80 cm-Spiegelteleskop beherbergt.
Auf dem Sternwartgelände selbst verblieben als
Beobachtungsmöglichkeiten nur noch Askania-Vertikalkreis, grosser
Refraktor, Väisälä - Schmidt - Spiegel, der in einer eigenen
Beobachtungshütte untergebracht wurde, und ein 1975 errichteter 40
cm - Coelostat verbunden mit einem Coude-Spektrographen in den Kellerräumen
des Instituts. Der Vertikalkreis befindet sich noch im Originalgebäude
und wird bis heute zur regelmässigen Messung der Fundamentalsterne
genutzt. Er ist das letzte in Betrieb befindliche Instrument seiner Art in
Deutschland und eines der wenigen auf der Erde, mit dem solche Beobachtungen
noch vorgenommen werden. Der Refraktor befindet sich ebenfalls noch in seinem
historischen Gebäude und diente noch bis 1969 der Messung von
Doppelsternen. Seit dieser Zeit wurde er, versehen mit elektronischen
Messgeräten, ebenso wie Väisälä - Spiegel und Coelostat im
wesentlichen zur Ausbildung von Studenten benutzt. Die Zahl von ca. 65
Diplomarbeiten und 15 Dissertationen zeugt von der Attraktivität, die das
Fach Astronomie bei den Studenten der Physik in dieser Zeit wieder gefunden
hatte, und von den vorzüglichen Arbeitsbedingungen, die das neue Institut
nun bieten konnte.
Einen weiteren beträchtlichen Aufschwung erhielt die Sternwarte nach dem
Amtsantritt von Rolf-Peter Kudritzki im Jahre 1982. Neben dem grosszügigen
Ausbau der institutseigenen Rechnerkapazitäten und der Verbindung zum
Leibniz - Rechenzentrum wurden gemeinsame Forschungsprogramme mit zahlreichen
in - und ausländischen Instituten gestartet. In diesem Rahmen halten sich
ständig Wissenschaftler aus aller Welt auch für längere Zeit im
Bogenhausener Institut auf. Die so erhöhte Anziehungskraft der Sternwarte
blieb auch nicht ohne Auswirkungen auf die Studenten, die nun noch stärker
die Möglichkeiten des Instituts nutzten: So wählten in den letzten
Jahren ca. 50% aller Physikstudenten der Universität Astronomie als
Nebenfach bei der Diplomprüfung und die Zahl derer, die ein theoretisches
oder experimentelles Problem aus der modernen Astrophysik zum Thema ihrer
Diplom- oder Doktorarbeit wählen, steigt ständig. Neben ca. 30
wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitern sind derzeit ca. 40 Diplomanden
und Doktoranden auf speziellen Gebieten der Stellarastronomie, der Atomphysik
und der Instrumentenentwicklung tätig.
Die Theorie der Sternatmosphären und Sternwinde sowie die entsprechenden,
auf komplexe Objekte angewandten Spektralanalysen stellen einen
Forschungsschwerpunkt dar, dessen Ergebnisse auch andere wichtige Gebiete der
Astrophysik beeinflussen. Die zu den Berechnungen notwendigen
atomphysikalischen Daten werden dabei von einer eigenen Arbeitsgruppe zur
Verfügung gestellt. Untersuchungen der chemischen und kinematischen
Entwicklung der Galaxis mit spektroskopischen Methoden sowie die Klärung
verwickelter physikalischer Prozesse in speziellen Doppelsternsystemen runden
die Palette der derzeitigen stellarastronomischen Aktivitäten ab.
Die Tradition der Instrumentenentwicklung wurde mit dem Bau eines
Mehrkanalphotometers und eines Polarimeters, beide mit modernster Technologie
ausgestattet, fortgesetzt. Letzteres entstand in Zusammenarbeit mit ESO und
steht heute auf La Silla/Chile den europäischen Astronomen zur
Verfügung. Ein Mehrkanalspektralphotometer, das Helligkeitsmessungen an
Sternen mit bisher nicht erreichbarer Präzision erlauben wird, sowie eine
speziellen Zwecken dienende CCD-Kamera befinden sich derzeit in der
Erprobungsphase und werden schon bald das Instrumentarium des 80 cm - Teleskops
im Wendelstein - Observatorium erweitern. Dieses moderne Spiegelteleskop hatte
1989 dort seinen Betrieb aufgenommen, nachdem die Sonnenbeobachtungen 1987
endgültig eingestellt worden waren. Die in hohem Masse von der
Qualität der Sichtbedingungen abhängenden, besonders wichtigen
Koronabeobachtungen der Sonne hatten zuletzt wegen der rapide zunehmenden
Luftverschmutzung nur noch an wenigen Tagen im Jahr durchgeführt werden
können. Ein zweites "privates" Beobachtungsstandbein wird die Sternwarte
in nächster Zukunft in den USA haben: Sie ist dort Mitbesitzer eines 8.5
m - Teleskopes geworden, das gerade von der Pennsylvania State University und
der University of Texas at Austin gebaut und am McDonald Observatory in
West-Texas aufgestellt werden wird.
Abb.16:
Das 1989 auf dem Wendelstein in Betrieb gegangene 80 cm -
Spiegelteleskop. Die vollständig computergesteuerte und -
überwachte Anlage erlaubt zusammen mit der modernen Instrumentierung
einen nahezu vollautomatischen Beobachtungsbetrieb, der von einem separierten
Kontrollraum aus überwacht wird.
Zwei weitere grosse, vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie
mitfinanzierte Instrumentenprojekte wurden vor kurzem gestartet: In
Zusammenarbeit mit der Landessternwarte Heidelberg, der
Universitätssternwarte Göttingen und ESO wird in Bogenhausen für
das gerade im Bau befindliche grösste optische Teleskop der Welt (VLT;
effektiver Spiegeldurchmesser 16 m) ein Kombi - Instrument konstruiert, das
direkte Aufnahmen, Polarisationsmessungen und Spektroskopie erlaubt. Die
Teleskopanlage wird voraussichtlich um die Jahrtausendwende bei ESO in Chile
ihre Arbeit aufnehmen. Das zweite Projekt betrifft einen Echelle_Spektrographen,
der zusammen mit dem Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie
gebaut und am 2.2 m - und 3.5 m - Teleskop auf dem Calar Alto/Spanien zum
Einsatz kommen wird.
Daneben ist die Universitäts-Sternwarte einer der intensivsten Nutzer
internationaler astronomischer Forschungsanlagen geworden. Ihre Mitarbeiter
können und konnten sich immer wieder mit ihren Anträgen auf
Beobachtungszeit auch gegen stärkste nationale und internationale
Konkurrenz durchsetzen und z.B. am ESO-Observatorium in Chile oder am
Deutsch-Spanischen Astronomiezentrum Calar Alto mit den dortigen
Grossteleskopen ihre umfangreichen Forschungsvorhaben durchführen oder
mit Astronomie-Satelliten ( IUE, EXOSAT, ROSAT, Hubble Space Telescope)
arbeiten.
Die ehemals "Königliche Sternwarte zu Bogenhausen" ist heute also
längst wieder in der Lage und bereit, die Herausforderungen moderner
Astronomie anzunehmen und einen wichtigen Part im gemeinsamen internationalen
Bemühen bei der Erforschung des Aufbaus und der Entwicklung unseres
Kosmos zu spielen.
Publikationsserien der Sternwarte Bogenhausen (München)
1) Astronomische Beobachtungen angestellt auf der K. Sternwarte zu Bogenhausen,
Bd. 1 - 5 ( 1824 - 1838 )
2) Observationes Astronomicae in Specula Regia Monachiensi institutae,
Bd. 1 - 10 ( 1841 - 1847 )
3) Annalen der Koeniglichen Sternwarte bei Muenchen,
Bd. 1 - 21 ( 1848 - 1876 )
4) Supplementbaende zu den Annalen, Bd. 1 - 14 ( 1851 - 1884 )
5) Annalen fuer Meteorologie, Erdmagnetismus und verwandte Gegenstaende,
Heft 1 - 12 ( 1842 - 1844 )
6) Jahrbuch der Koeniglichen Sernwarte bei Muenchen, 1838 - 1841
7) Astronomischer Kalender fuer das Koenigreich Bayern, 1850 - 1853
8) Jahresbericht der Muenchener Sternwarte, 1852, 1854, 1858
9) Beobachtungen der Sonnenflecken angestellt an der Kgl. Sternwarte bei
Muenchen,
1861 - 1863
10) Meteorologische und magnetische Beobachtungen der K. Sternwarte bei
Muenchen,
Jg. 1876 - 1882
11) Neue Annalen der Muenchener Sternwarte, Bd. 1 - 6 ( 1890 - 1927 )
12) Supplementhefte der Neuen Annalen, Heft 1, 2 ( 1906, 1911 )
13) Forschungsberichte der Kommission Observatorium Wendelstein, Nr. 1 - 27 (
1952 - 1962 )
14) Veroeffentlichungen der Sternwarte Muenchen,Bd. 1 - 7 ( 1939 - 1982 )
15) Mitteilungen der Sternwarte Muenchen, Bd. 1 - 2 ( 1952 - 1982 )
Literatur:
W.Bachmann: Die Attribute der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
1807 - 1827.
Dissertation, Universität München, Verlag M.Lassleben,
Kallmünz, 1966
A.Brachner: Mit den Wellen des Lichts
G.Olzog Verlag, München, 1987
F.Burmeister: Die Erdmagnetischen Observatorien München, Maisach,
Fürstenfeldbruck in ihrer Entwicklung von 1840 bis 1940.
Veröffentlichungen der Erdphysikalischen Warte bei der
Sternwarte, Heft 7, München 1941
R.Häfner: Die Zeit Johann von Lamonts an der Königlichen Sternwarte
zu Bogenhausen. Sterne und Weltraum, Jg.29, S.13, 1990
H.Kienle: Hugo von Seeliger.
Vierteljahresschrift der Astron.Ges, Jg.60, S.3, 1925
F.Litten: Astronomie in Bayern 1914 - 1945.
Dissertation, Universität München, 1991
F.J.Müller: Johann Georg von Soldner, der Geodät
Dissertation, Kgl. Technische Hochschule München, 1914
C.v.Orff: Johan von Lamont.
Vierteljahresschrift der Astron.Ges, Jg.15, S.60, 1880
W.Rabe: Die Sternwarte München
Die Himmelswelt, Jg.45, S. 142, 1935
H.-U.Sandig: Erich Schoenberg
Mitteilungen der Astron.Ges., Nr.20, S.6, 1966
E.F.v.Schafhäutl: J. v. Lamont
Historisch-politische Blätter für das Katholische
Deutschland, Bd.85, S.54, 1880
F.Schmeidler: H. v. Seeliger.
Die Sternenwelt, Bd.1, S.208, 1949
F.Schmeidler: Wilhelm Rabe.
Mitteilungen der AG, Nr.10, S.5, 1958
K.Stumpf: Alexander Wilkens
Astronomische Nachrichten, Bd.291, S.87. 1968
A.Wilkens: Die Sternwarte des Staates.
Die wissenschaftlichen Anstalten der
Ludwig-Maximilians-Universität zu München,
Hrsg. K.A.v.Müller, München, S.261, 1926
K.Winschiers: 500 Jahre Vermessung und Karte in Bayern
Mitteilungsblatt des Deutschen Vereins für Vermessungswesen,
Sonderheft 2/1982, München, 1982
Dokumente und Beobachtungsbücher der ehemaligen Kgl. Sernwarten in
Haidhausen und Bogenhausen im Besitz der Universitäts-Sternwarte München
Jahrbücher, Kalender, Jahresberichte sowie Begleittexte zu den "Astro-
nomischen Beobachtungen" bzw. "Annalen" der Sternwarte Bogenhausen
1824 - 1890 ( vergl. Publikationsserien )
Jahresberichte der Sternwarte Müchen ab 1882 in:
Vierteljahresschrift der AG, Jg. 18 - 79 , 1883 - 1944
Die Himmelswelt, Bd. 56, S.47, 1949
Mitteilungen der Astron.Ges., ab Nr.1, 1949
Author: Dr. Reinhold Häfner,
Universitätssternwarte
Scheinerstrasse 1
München
Last Modifikation: 94/08/05
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