Sterne und Weltraum SPECIAL Nr. 2: Schöpfung ohne Ende - Die Geburt des Kosmos - November 1997

Galaxien in der Tiefe der Zeit - Von Ralf Bender, Ulrich Hopp und Roberto P. Saglia

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Der Haufen im Sternbild Fornax zeigt neben einer Balkenspirale auch andere spiralförmige sowie elliptische und S0-Galaxien. (David Malin)

von den elliptischen Galaxien, die eine kleine Scheibe besitzen, über die S0- zu den Spiralgalaxien.

Die Zukunft der Milchstraße

Wird also auch unsere Milchstraße in etlichen Milliarden Jahren zu einer S0-Galaxie werden? Nein, ihr steht ein anderes Schicksal bevor. Noch rotiert sie ungestört etwa alle 240 Millionen Jahre einmal um ihre Achse. Aber es wird nur etwa 18 Umdrehungen dauern, bis unserer Heimatgalaxie eine kosmische Katastrophe ins Haus steht.

Das Universum expandiert. Daher entfernen sich die meisten Galaxien von der Milchstraße. Nicht so die Andromeda-Galaxie (Bild Seite 65): Die unserer Milchstraße am nächsten befindliche Spiralgalaxie kommt auf uns zu! Durch die gegenseitige Schwerkraftsanziehung nähert sie sich heute mit 120 Kilometern pro Sekunde. In etwa vier Milliarden Jahren wird sie die zwei Millionen Lichtjahre zu uns zurückgelegt haben und mit der Wucht von einigen hundert Kilometern pro Sekunde mit der Milchstraße zusammenstoßen!

Was wird dann passieren? Zum Glück ist zwischen den Sternen soviel Platz , daß es zu keinen Sternkollisionen kommen wird. Sogar unser ganzes Sonnensystem mit den umlaufenden Planeten wird die Katastrophe aller Wahrscheinlichkeit nach überstehen. Aber beide Galaxien werden vollständig deformiert und voraussichtlich zu einem neuen Gebilde verschmelzen. Computersimulationen (Bild Seite 16/17 unten) lassen erwarten, daß unsere Milchstraße und die Andromedagalaxie sich zu einer elliptischen Galaxie vereinigen werden.

In Haufen gibt es Spuren ähnlicher Katastrophen, die sich in der Vergangenheit ereignet haben: Einige elliptische Galaxien, hauptsächlich die sehr massereichen und kastenförmigen mit etwa einer Billion Sterne, haben einen komplexeren Aufbau als die normalen Ellipsen. So zeigen einige ein Innengebiet, das entgegengesetzt zum Außengebiet rotiert (Kasten Seite 16). Diese und andere Eigenschaften erklären sich wahrscheinlich durch den Zusammenstoß und das Verschmelzen zweier Galaxien, die unseren heutigen Spiralgalaxien ähnlich gewesen sein könnten.

Die meisten dieser Zusammenstöße ereigneten sich in der Jugendzeit des Universums, als die Galaxien wegen des kleineren Weltdurchmessers noch viel enger beieinander waren. Aber wie das gerade verschmelzende Paar der Antennengalaxie (Bild Seite 15) und viele weitere Beispiele deutlich machen, sind solche Zusammenstöße auch heute nicht ungewöhnlich. Die Strukturen der beteiligten Spiralgalaxien werden dabei völlig zerstört, ihr interstellares Gas wird zu einem großen Teil ins Massenzentrum des verschmolzenen Systems befördert und führt dort zu einer überaus rasanten Entstehung neuer Sterne, die bis zu tausendmal effektiver ist als heute bei uns in der Milchstraße. Das Endprodukt dieser Katastrophe ist eine elliptische Galaxie.

Kosmische Zwerge und Kannibalen

Die bisher besprochenen Galaxientypen, Spiralen, Ellipsen und S0-Galaxien, unterscheiden sich in der Anzahl der in ihnen vorhandenen Sterne nicht sehr stark. Sehen wir einmal von den recht seltenen Riesenellipsen ab, so liegen die Leuchtkräfte all dieser Galaxien zwischen einigen Milliarden und etwa einhundert Milliarden Sonnenleuchtkräften.

Es gibt aber noch eine Klasse von Galaxien, die wesentlich kleiner sind. Diese sogenannten Zwerggalaxien haben Leuchtkräfte von weniger als einer Milliarde Sonnenleuchtkräften. Die kleinsten von ihnen enthalten nur einige Millionen Sterne und sind damit nur ein wenig massereicher als die sogenannten Kugelsternhaufen, welche sich in den Außenbezirken unserer Milchstraße und anderer Galaxien aufhalten (Bilder Seite 12 und 70).

Zwerggalaxien findet man zunächst in Schwärmen um große Galaxien (Bild der Andromedagalaxie auf Seite 65). Auch die Milchstraße ist von einem guten Dutzend kleiner Brüder und Schwestern umgeben. Dazu gehören die beiden Magellanschen Wolken, die man von der Südhalbkugel der Erde mit bloßem Auge sehen kann (Bilder Seite 12 und 65). Die sternärmsten dieser Zwerge sind aber so leuchtschwach und diffus, daß wir davon ausgehen können, daß selbst in der unmittelbaren Umgebung unserer Milchstraße noch einige von ihnen unentdeckt geblieben sind.