War es ein Gott, der diese Gleichungen schrieb?
Ludwig Boltzmann über die Maxwell-Gleichungen


 
 

Plasma-Astrophysik
an der
Universitätssternwarte

DIPLOMARBEITEN

 Einführender Übersichtsartikel zu astrophysikalischen Plasmen (englisch)



 

Noch von der Schulbank her sind wir es gewohnt,
alle Stoffe in drei Aggregatzustände
- fest, flüssig und gasförmig -
einzuteilen. 
In den letzten Jahren rückt jedoch der
vierte Aggregatzustand,
den man auf Grund seines eigenartigen Verhaltens
Plasma
bezeichnet,
immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses

Frank-Kamenezki, 1963


 Das Plasma (griech.: das Formbare) als den vierten Aggregatzustand zu bezeichnen, schließt sich einerseits den griechischen Philosophen an, die die Elemente Erde (fest), Wasser (flüssig), Luft (gasförmig) und Feuer (Plasma) kannten. Andererseits ist die Bezeichnung als neuer Aggregatzustand auch aus moderner Sicht durchaus treffend, weil bei den hohen Temperaturen die Atome in positive Ionen und negative Elektronen zerfallen und damit die Zerlegung der Materie in ihre Bestandteile durch einen neuen Prozeß fortgesetzt wird.

Ein Plasma ist ein vollständig oder teilweise ionisiertes Gas, das als nunmehr elektrisch leitendes Medium eine Reihe von Eigenschaften besitzt, die es von Gasen, Flüssigkeiten oder festen Körpern deutlich unterscheidet.

"Vom Plasma sprechen die Physiker erst seit kurzer Zeit, doch gesehen hat es schon jeder. In dem imposanten Schauspiel, das Blitz und Nordlicht bieten, ist das Plasma der Hauptakteur. Wer einmal das "Vergnügen" hatte, eine Kurzschluß in der elektrischen Leitung zu verursachen, hat ebenfalls mit dem Plasma Bekanntschaft gemacht. Der Funke, der von einem Leiter zum anderen überspringt, besteht aus dem Plasma einer elektrischen Entladung in der Luft. Wenn wir abends durch die Straßen einer Großstadt spazieren und die Lichtreklamen sehen, denken wir nicht daran, daß in jeder Röhre das Plasma der Edelgase Neon oder Argon leuchtet. Jeder auf eine ausreichend hohe Temperatur erhitzte Stoff geht in den Plasmazustand über. Eine gewöhnliche Flamme besitzt eine gewisse elektrische Leitfähigkeit; sie ist - wenn auch in geringem Maße - ionisiert, sie ist ein Plasma."

Unser technisches Zeitalter ist ohne Plasmen nicht denkbar. Die Chips in diesem und jedem anderen Computer werden mit Plasmaverfahren geätzt, flache Computerbildschirme benutzen Plasmadisplays, Gaslaser, in denen das Plasmamedium Atome oder Moleküle anregt, werden in der Forschung, Industrie, Medizin und Umweltanalytik eingesetzt. Neue Werkstoffe werden mit Plasmabrennern erzeugt. Zur Lösung der Energieprobleme künftiger Generationen ist die Aufrechterhaltung einer kontrollierten Kernfusion nunmehr in greifbare Nähe gerückt.

99% des leuchtenden Universums ist im Plasmazustand. Es sind die kalten Bedingungen auf unserem Planeten, die uns die klassischen Aggregatzustände als die "natürlichen" erscheinen lassen.

Alle Sterne sind Plasmen, weil sie sehr heiß sind, aber auch das Medium zwischen den Sternen ist im Plasmazustand. Dieses Gas ist so dünn, daß bereits das schwache Sternlicht dazu ausreicht, den Atomen, das ein oder andere Elektron zu entreissen und damit zu einer nennenswerten Ionisation zu führen. Selbst wenn nur ein Ion auf 100.000 neutrale Atome kommt, reagiert das Gas auf elektrische und magnetische Kräfte - es ist ein Plasma. Deshalb gilt die Plasmaphysik als Grundlagenwissenschaft für die Astrophysik.

In Plasmen wirken also elektrische und magnetische Kräfte, die die Bewegungen der Teilchen stark beeinflussen. Die viel leichteren Elektronen können sich relativ zu den 2000 mal schwereren Ionen schnell bewegen. Dies führt wie in Metallen zu elektrischen Strömen, die wiederum Magnetfelder produzieren. Da die geladenen Teilchen an die magnetischen Feldlinien gebunden sind, entstehen Röhren, in denen Plasma strömt.

Dies ist besonders schön bei Sonnenausbrüchen zu beobachten.

Die Sonne ist wie alle Sterne eine Plasmakugel. In ihrem Innern werden bei Millionen Grad Wasserstoffatomkerne zu Helium verschmolzen. Die frei werdende Energie wird vom Sonnenkern durch Strahlung und Plasmaströmungen an die Oberfläche transportiert, dort herrschen 6000 Grad und die meisten Atome sind ionisiert. Aus der Oberfläche brechen Plasmaströmungen auf und entweichen in den Weltraum, dabei entstehen magnetische Röhren, die das Plasma bündeln und auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen. Auf diese Weise bläst die Sonne einen Plasmawind mit bis zu 600 Kilometern pro Sekunde.

Der Sonnenwind trifft auf das Erdmagnetfeld, wo er abgelenkt wird. Durch zeitliche und örtliche Schwankungen an der Oberflache, "rüttelt" der Sonnenwind am Erdmagnetfeld. Aus der Schule wissen wir, da beim Rütteln an magnetischen Feldlinien elektrische Ströme auftreten. Diese Ströme werden in der Erdmagnetosphäre "verheizt" - das Nordlicht entsteht.

Wir beschäftigen uns an der Sternwarte mit ganz verschiedenen Problemkreisen aus der Astrophysik.

Zum einen geht es um den Ursprung kosmischer Magnetfelder. Überall im Universum gibt es Magnetfelder. Sie sind zwar viel schwächer als das Erdmagnetfeld, aber ihre Feldlinien erstrecken sich ber Tausende von Lichtjahren. Magnetfelder hängen immer mit elektrischen Strömen zusammen, deshalb muß es im Universum riesige elektrische Generatoren geben, die die Magnetfelder erzeugen und aufrechterhalten - die galaktischen Dynamos.

So wie im Dynamo am Fahrrad, wird in Galaxien ein bereits existierendes Magnetfeld durch Leiterbewegungen verstärkt, es fließen elektrische Ströme, die in geeigneter Weise strukturiert, das Magnetfeld aufrechterhalten.

In Scheibengalaxien zum Beispiel, spiegeln die magnetischen Feldlinien die Spiral- und Balkenstruktur wieder.

Ein weiterer Aspekt unserer Arbeit ist die Beschleunigung von Teilchen in elektrischen Feldern. Immer, wenn magnetische Feldlinien mit unterschiedlichen Richtungen aufeinandertreffen, werden elektrische Felder erzeugt.

Entlang dieser Felder können sehr effizient Teilchen beschleunigt werden. Diesen Prozeß kann man direkt in der Erdmagnetosphäre beobachten, dort führt er zum Nordlicht. Die beschleunigten Teilchen treffen auf die Sauerstoff - und Stickstoffatome unserer Atmosphäre, ionisieren sie und regen sie so zu den imposanten Leuchterscheinungen an.

Auf der Sonnenoberfläche kann man das Aufeinanderprallen von magnetischen Feldlinlinien mit unterschiedlichen Richtungen ebenfalls beobachten. Dort führt die Freisetzung der magnetischen Energie zu gewaltigen Eruptionen und zur Beschleunigung von Teilchen auf sehr hohe Energien und zur Aufheizung der Sonnenatmosphäre auf mehrere Millionen Grad. Die paradoxe Situation, daß die Sonnenoberfläche nur 6000 Grad heiß ist, während ihre Atmosphäre Millionen Grad heißes Gas besitzt, läßt sich nur durch "unsichtbaren" Energietransport von elektromagnetischer Energie in die Atmosphäre erklären.

In astrophysikalischen Systemen kommen gestörte Magnetfelder mit unterschiedlichen Richtungen fast überall vor. Immer dann, wenn eine äußere Kraft am Plasma zieht, reißt oder drückt, werden auch die Magnetfelder entsprechend zerzaust oder komprimiert und Feldlinien mit unterschiedlichen Richtungen treffen aufeinander. Abhängig von der jeweils vorliegenden Magnetfeldstärke können dabei sehr hohe Teilchenenergien auftreten. Wir behandeln diesen Prozess für das Nordlichtphänomen in der Erdmagnetosphäre, für die Röntgenstrahlung von jungen Sternen, und für die Produktion von Gammastrahlung in aktiven galaktischen Kernen. Dort insbesondere erfordern die beobachteten Zeitskalen der Strahlungsleistung einen effizienten Beschleunigungsmechanismus, der ähnlich wie bei Sonneneruptionen, in kurzer Zeit viele Teilchen auf sehr hohe Energien beschleunigen kann.

In aktiven galaktischen Kernen strömt Plasma in einer Scheibe auf ein schwarzes Loch.

Die Bewegungsenergie, die das Gas bei seinem Einfall auf das starke Schwerkraftfeld des schwarzen Loches gewinnt, wird in der Scheibe abgestrahlt. Die Scheibe, die Magnetfelder besitzt, wird aufgeheizt und es kommt zu gigantischen Eruptionen, in deren Verlauf magnetische Energie in Teilchenenergie umgesetzt wird. Vom schwarzen Loch gehen stark gebündelte Plasmastrahlen aus, die sog. Jets, die sich über 100.000 Lichtjahre erstrecken. Auch hier spielen Magnetfelder die Rolle des "Gefängniswärters", das Plasma kommt kaum aus der Magnetfeldröhre heraus.

Gewaltige Strahlungsleistungen werden auch von Pulsaren freigesetzt, unserem dritten Schwerpunkt.

Pulsare sind Sternleichen. Sie entstehen als Überrest einer Supernova-Explosion, wenn im Inneren eines mehrere Sonnenmassen schweren Sternes die Kernfusion abbricht. Aufgrund der fehlenden Energiequelle, bricht der Kern des Sterns in sich zusammen. Der hohe Druck quetscht die Elektronen in die Atomkerne hinein und es entsteht durch die Vereinigung von Protonen und Elektronen ein Neutronenstern. Diese ca. 10 km große Kugel verbleibt als Überrest, während die äußeren Sternhüllen in einer gewaltigen Explosion abgesprengt werden. Die kleine Kugel enthält bis zu 1.44 Sonnenmassen, dreht sich bis zu 1000mal pro Sekunde und besitzt ein Magnetfeld, das eine Billion-mal stärker ist als das Erdmagnetfeld und sich mit dem Stern mitdreht. Aufgrund der hohen Drehgeschwindigkeit des Sternmagnetfeldes werden an der Oberfläche des Neutronensterns starke elektrische Felder aufgebaut, die Teilchen aus der Sternoberfläche herausreissen. Diese strömen entlang der Feldlinien ab und strahlen, vor allem im Radiobereich (100 Megahertz- bis einige GHz). Der Leuchtstrahl dreht sich wie ein Leuchtturm im Kosmos und immer, wenn er unsere Sichtlinie schneidet, sehen wir die intensive Strahlung des Neutronensterns - er pulsiert, daher der Name Pulsar. Pulsare sind so exakt in ihren Eigenschaften, daß man die irdischen Atomuhren mit ihnen eichen kann.

Pro Sekunde und pro Quadratmeter strahlt ein Pulsar soviel Energie ab, wie die Erde in 10 Milliarden Jahren verbraucht. Die hohe Intensität der Strahlung verlangt einen kohärenten Strahlungsprozeß, bei dem alle Teilchen zur gleichen Zeit die gleiche Energie abstrahlen, ähnlich wie in irdischer LASER.

An der Sternwarte arbeiten wir an theoretischen Modellen zu eben diesem bis heute unbekannten Strahlungsmechanismus.

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